... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
… ich … dir …“
„Hab ich doch gern getan“, platzte er ihr lachend ins Wort und zog sie in seine Arme. Behutsam strich er ihr über den Rücken und versenkte sein Gesicht in ihr Haar. „Entschuldige, a ghrá . Gleich wird es besser.“
„Ich glaube, der war nicht mehr gut“, krächzte sie heiser.
Die Männer betrachteten sie amüsiert und schlugen sich auf die Schenkel. „Ein McGowan! Achtundzwanzig Jahre alt!“
„Muss ein schlechter Jahrgang gewesen sein.“
Offenbar hatte der Poiteen bewirkt, dass die Männer sämtliche Hemmungen fielen ließen, denn als der alte Níall wenig später ein Lied anstimmte, fielen ein halbes Dutzend kräftige Stimmen in den Gesang ein. Vor Begeisterung blieb Suse der Mund offen stehen. Nicht lange und ihre Füße begannen zu zucken, dann auf den Holzboden zu klopfen. Ihr Oberkörper bewegte sich im Takt und irgendwann sang sie mit, obwohl sie weder Text noch Melodie kannte.
Neilí verschwand unter dem Tresen und stand gleich darauf mit Geige und Bogen vor Ean.
„ Ní mé !“, rief Suse verwundert aus. „Ich glaub ’s einfach nicht! Du, Ean, du spielst Geige?“
„ Fidil , Kleine. Außerdem ist das doch nichts Besonderes, fast jeder hier beherrscht ein Instrument“, winkte Ean ab, während er sich die schon etwas ramponierte Fiedel unters Kinn klemmte und mit dem Bogen über die Saiten strich.
Da erklang bereits ein weiteres Lied . Einer der Gäste klopfte mit einem kleinen Stock den Rhythmus auf ein Tamburin und Ean begleitete den Sänger, etwas holprig und quietschend zunächst, dann immer sicherer, bis er schließlich derart rasant über die Saiten strich, dass es Suse nicht verwundert hätte, wenn der Bogen in Flammen aufgegangen wäre.
„Bin ein bisschen aus der Übung“, erklärte er völlig außer Atem, als er eine Pause einlegte, um einen tiefen Schluck aus seinem Glas zu nehmen. „Singen und Musizieren, musst du wissen, ist hier etwas Alltägliches. Es kostet nichts und man kann es überall tun, beim Duschen, vor und nach dem … du weißt schon, allein oder in Gesellschaft. Singen ist für die Iren wie Atmen oder Reden, Essen und Trinken. Mit Sicherheit kann ich behaupten, dass wir zumindest bei den letzten drei Dingen unschlagbar sind.“
„Und was die Bescheidenheit angeht, übertrefft ihr sowieso den Rest der Welt“, lästerte Suse mit einem Augenzwinkern.
„Das liegt vermutlich daran, dass unsere Ahnen während der jahrhundertelangen Unterdrückung von ihren Kolonialherren weder geliebt noch gelobt wurden. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als es selbst zu tun.“
„Nun sind die Engländer aber meines Wissens bereits ein paar Jährchen über alle Berge.“
„ Tja, wer kann schon über seinen Schatten springen? Die Macht der Gewohnheit.“
„Ist es nicht so, dass wir erst ins Bewusstsein Mitteleuropas gerückt sind, seid wir nicht mehr mit Pfund, sondern mit Euro bezahlen? Hat bis zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit nicht sogar vermutet, wir wären noch immer irgendein armseliges Anhängsel des Empire? Und sind wir nicht allein deshalb für euch interessant geworden, weil unsere Euro-Münzen einen gewissen Seltenheitswert besitzen?“, schoss Máirtín mit einer unerklärlichen Schärfe zurück, die die Umstehenden aufhorchen ließ.
„Ich glaube, nur wer eine Existenz am Rande Europas führt, hat diese Mühe , seine Identitätsprobleme beiseite zu schieben.“
Plötzlich sprang Máirtín wie von der Tarantel gestochen auf und presste sein Ohr an das Kofferradio auf dem Tresen. „Habt ihr das gehört? Deaglán ist gestorben.“
Ean schlug ein Kreuz – nicht für Deaglán, sondern weil er heilfroh war über den Themenwechsel.
„Deaglán?“
„Welcher Deaglán? Ich kenne keinen …“
„Aber natürlich kennt ihr ihn! Er ist mit uns zur Schule gegangen. Eine Klasse unter mir. Also war er vier Jahre jünger als ihr. Deaglán de Bréadún, der Neffe von Grégoir Ó Dúill, dem Verrückten, der in der Südsee eine Brauerei eröffnet hat. Erinnert ihr euch nicht? Vier Uhr bringen sie ihn vom Beerdigungsinstitut in die Saint Mary‘s . Morgen um zehn wird die Totenmesse gelesen und danach findet das Begräbnis auf unserem Friedhof statt.“
„Hat Pól nicht erzählt, er hätte einen Unfall gehabt?“ Liam sah auf seine Uhr. „Wir sollten uns beeilen, damit wir den Transport nicht verpassen.“
„Die bringen bei euch im Radio, wenn jemand gestorben ist?“ Suses Augenbrauen zuckten zweifelnd in die Höhe.
„Aber
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