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... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

Titel: ... dann eben Irland (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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nicht zu vergessen Weinreben für die Freude, Haselnuss für die Weisheit und Weißdorn für die Reinheit. Es ist das Fest des Lichts und des Feuers. Die Zeit der Dunkelheit ist an diesem Tag vorbei und die Menschen feiern die Rückkehr des Sommers. Und noch viel mehr. Wart ’s ab, das wird ein Mordsspaß.“
    Der alte N íall lachte rau. Seine Augen blitzten, als er mit geheimnisvoller Stimme sagte: „In der Nacht zum ersten Mai, wenn die Herrschaft der Finsternis endet und die des Lichts beginnt, ist ein Spalt in der Zeit, ein kurzer, zeitloser Moment. In ihm können die Feen den magischen Schleier lüften und ins Diesseits gelangen. Dann treiben sie ihre Späßchen mit den Menschen und tanzen über die Felder. Manchmal locken sie auch mit lieblicher Musik, süßen Worten und köstlichen Früchten einen Sterblichen in ihre Welt unter den Hügeln. Und wenn du dann nicht aufpasst“, wandte er sich an Suse, indem er ihr die Hand auf den Arm legte und tief in ihre Augen blickte, „und die Zeit beim Tanzen vergisst oder gar etwas von ihren Speisen kostest, können leicht hundert Jahre vergehen, obwohl du meinst, es sei lediglich eine einzige Stunde gewesen. Wachst du dann auf, bist du allein, denn all deine Lieben sind nicht mehr.“
    „ Keine Angst, a stór , ich werde auf dich aufpassen. Solange es mich gibt, werden dich die guten Leute nicht bekommen“, versicherte ihr Ean voller Ernst. „Die Legende besagt außerdem, dass an diesem Tag die Tuatha de Danaan in Irland eintrafen. Ihre Schiffe waren aus Silber und die Segel aus goldenem Tuch. Aber sie verbrannten ihre Schiffe zum Zeichen dafür, dass sie für immer auf dieser Insel bleiben wollten. Sie waren Barden, Dichter, Schmiede und Krieger und nannten sich selber ‚Kinder des Lichts’. Manche behaupten sogar, sie seien aus den Wolken herabgestiegen, weil sie ja immerhin von der Adler-Göttin Dana abstammen.“
    „ Tuatha Da … die hat Clausing gestern erwähnt.“
    „Mat?“, rief Ean erstaunt aus. „Mat soll … Das glaube ich nicht. Also, nicht, dass ich dir nicht glaube, aber das ist … unglaublich! Er , ausgerechnet er erzählt dir unsere Märchen? Es gab für ihn als Kind keine schlimmere Strafe, als sich Geschichten anhören zu müssen. Wie hat er meine mam dafür verflucht!“ Er lachte laut auf bei der Erinnerung daran. „Spinnerei, schimpfte er das. Vertane Zeit.“
    „Meiner Meinung nach war es eher eine wissenschaftlich fundierte Abhandlung über die Entstehung der Ogham -Zeichen, die er da zum Besten gab, und keine Märchenstunde.“
    „ Ní náir dó é “, grunzte Máirtín und machte eine wegwerfende Handbewegung.
    Daraufhin brachte jeder sein Wissen über die Schrift und das Wirken der Druiden an die Frau, machten Berichte von Begegnungen der außergewöhnlichen Art die Runde und wurden immer wieder volle Krüge herumgereicht. Die Männer übertrumpften sich gegenseitig beim Erzählen von Anekdoten, während Suse ihnen fasziniert lauschte. Was für ein kreatives und empfängliches Wunder das Hirn der Iren doch war! Offenkundig vernunftbegabte Wesen brachten es zweitausend Jahre nach Christus tatsächlich fertig, über verbürgte Geistererscheinungen zu reden – und zwar ohne die Stimme zu senken oder gar rot zu werden!
    Ein ums andere Mal sahen sich Suse und Ean über den Tisch hinweg an. Sie musste an das weit verbreitete Vorurteil denken, wonach es viele Iren mit der Wahrheit nicht so genau nahmen und über ein gewisses Talent im Angeben verfügten. Na, und? Ean war vor allem ein schnuckeliges Kerlchen, außerordentlich charmant und geistreich, mitunter sträflich großspurig und auf liebenswürdige Weise schrullig, kurzum ein Ire durch und durch, den man einfach lieben musste.
    Erst als die Tür zur Küche aufschwang und zwei Mädchen den Schankraum betraten, wurde Suse bewusst, wie schnell die Zeit vergangen war. Inzwischen fühlte sie sich sogar leicht beschwipst von dem Stout , das auf wundersame Weise nicht weniger in ihrem Glas zu werden schien. Ihr Magen allerdings knurrte verärgert angesichts der ungewohnten Kost zu früher Stunde.
    „Maighréad, Engelchen, komm her! Du bist meine Rettung!“
    Liam sprang als Erster von seinem Stuhl, hochrot im Gesicht, und nahm Maighréad den schweren Tontopf ab. Sie lächelte verlegen. Neilí, die jüngere Tochter des Wirtes, wie Ean Suse erklärte, stellte Körbchen mit dicken Scheiben von braunem Brot auf die blank gescheuerte Tischplatte. Ein herrlicher Duft breitete sich aus und

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