Dann fressen ihn die Raben
dann beeilten wir uns, auf das Sommerfest zu kommen, das bereits in vollem Gange war, als wir in der Schule eintrafen. Rasmus und Jannik hatten sich schwarze Plastikfolien überzogen und gingen als Ölpest, Mateus und ich trugen unsere gelben Friesennerze und hatten uns mit Mateus’ Angelruten ausstaffiert. Mateus hatte sogar extra Hering gekauft, den wir an den Haken hängen konnten. Eigentlich war das alles ziemlich lustig. Liv und ich tanzten zweimal miteinander und flirteten dabei professionell-distanziert. Nach und nach tauchten auch andere Mädels auf.Line, ein Mädchen aus dem Abijahrgang, schien es besonders auf mich abgesehen zu haben, aber ich hatte keine Lust mehr auf solche Spirenzchen. Mehrmals ertappte ich mich dabei, Liv anzustarren. Denn eigentlich wollte ich ja sie haben. Es war vollkommen bescheuert, was ich da machte. Rie. Mira. Obwohl es mir doch einzig und allein um Liv ging. Mateus war dagegen in Topform. Er stand in einer Ecke und knutschte mit einem Mädchen aus der Parallelklasse, Luna, die eigentlich ganz akzeptabel aussah, hätte sie nicht an diesem Abend einen riesigen Herpes im Gesicht gehabt.
Und dann war da auch noch meine Schwester, die gerade einen älteren Typen auffraß, Hjalte, einer dieser ekelhaften Schnösel mit zurückgegelten Haaren und schlechtem Geschmack, der seine Hand in ihrer Unterhose vergrub. Ein paar Jungs, die bei mir am Tisch saßen, war meine Schwester natürlich auch schon aufgefallen.
„Die ist wirklich ziemlich heiß“, sagte einer von ihnen mit anerkennender Miene. Offensichtlich hatten sie keine Ahnung, in welcher Beziehung Sandra und ich zueinander standen.
„Nur schade, dass sie so eine Wandermatratze ist.“
„Da hast du recht, das reinste Mekka für Sackläuse!“
Ich machte mich schnell aus dem Staub. Hjaltes andere Hand hatte sich inzwischen einen Weg in ihren Ausschnitt gebahnt. Das ging einfach zu weit. Sie war immerhin meine Zwillingsschwester. Ich musste etwas unternehmen.
„Jetzt reicht es aber, Freundchen“, fuhr ich Hjalte an und zerrte seine Hand aus Sandras Top. Dabei hüpfte die ganze Brust mit heraus, und Sandra beeilte sich, sie wieder hineinzustopfen.
„WAS ZUM TEUFEL MACHST DU?“, schrie sie.
„Hjalte. Die andere Hand auch.“
„Verpiss dich, du Idiot!“, brüllte Sandra, während Hjalte zögernd seine Hand aus ihrem Kleid zog. „Einen Moment“, sagte er zu Sandra gewandt. Dann drehte er sich zu mir.
„Wie wäre es, wenn du dich da raushältst?“, sagte er.
„Sollen wir rausgehen?“, fragte ich. Dieser Busengrapscher musste gestoppt werden.
„Na gut“, antwortete er. Ich zerrte ihn an seiner schnieken Hugo-Boss-Jacke weg.
„Jetzt reg dich mal ab, Alter“, sagte er.
„Wolltest du nicht eigentlich gerade ein Bier kaufen gehen?“, fragte ich. Ich drehte ihn um und schubste ihn in Richtung Bar.
„Was machst du denn da?“, zischte Sandra.
„Deinen Ruf retten“, antwortete ich.
„Seit wann kümmerst du dich um meinen Ruf? Und was ist mit deinem eigenen?“
„Die sitzen schon die ganze Zeit da und reden über dich“, sagte ich und zeigte auf die beiden Typen am Tisch.
„Die beiden da? Die sind schon scharf auf mich, seit ich hier an der Schule angefangen habe.“
„Was weiß denn ich.“
„Und was ist mit dir? Und Rie? Heißt die nicht so? Rie, die ständig bei uns zu Hause aufläuft? Und die völlig verrückt nach dir ist?“
Im Hintergrund hörte die Musik plötzlich auf. Zwei Wachleute steuerten auf mich zu, gemeinsam mit Hjalte, der bis über beide Ohren grinste.
„Der da“, sagte er nur. Und dann wurde ich gebeten zu gehen.
Ich war niedergeschlagen und völlig breit, als ich schon um viertel vor zwölf die Wohnungstür aufschloss und mit dem Schlimmsten konfrontiert wurde, was man sich nur vorstellen konnte: Henrik im Jogginganzug. Er sah mir direkt in die Augen,als ich an ihm vorbeiging, um meine Sachen an die Garderobe zu hängen.
„Hast du Hasch geraucht, Nick?“
Ich griff nach der Lampe, die auf dem Schreibtisch unter der Treppe stand, und leuchtete mir selbst in die Augen, die aller Wahrscheinlichkeit nach Rote-Bete-farben waren.
„Schlimmer, Henrik, ich habe mir heute schon so einiges an harten Drogen eingepfiffen.“
„Vergiss es, du Witzbold. Das geht nicht. Ich glaube, ich muss dich mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen.“ Wenn man breit ist, nimmt man so manches Detail viel besser wahr. Ich merkte, wie meine roten Augen zu ihm wanderten, an seinem
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