Dann fressen ihn die Raben
Zeiten. Wo wollen wir uns aufwärmen?“
„Wir können gern zu mir gehen. Und vielleicht können wir noch ein paar Leute mehr zusammentrommeln?“
Wir sponnen unsere Idee ein wenig weiter. Malten uns aus, wie wir uns total die Kante geben würden. Und hofften beide darauf, dass es auf dem Sommerfest ein paar heiße Bräute zu sehen geben würde. Wir vermieden es beide, die Tatsache anzusprechen, dass wir zum ersten Mal seit Jonathans Verschwinden wieder zu einem Schulfest gehen würden. Aber so war es.
Die Woche verging damit, mich auf die Schule vorzubereiten, Jonathans Karton zu durchforsten und gemeinsam mit Mateus Ideen für mögliche Aktionen zu sammeln.
Der Inhalt des Kartons bestätigte eigentlich nur, was Aske gesagt hatte: Jonathan hatte über die Nerzfarm recherchiert. Es lagen eine Menge Infomaterial von Tierschutzorganisationen und diverse Ausdrucke darin. Außerdem ein Stapel Notizen mit Jonathans charakteristischer Erwachsenen-Handschrift. Sie war ganz anders als meine. Ich schrieb immer alles in Blockbuchstaben. Der Karton führte uns nirgendwohin. Garantiert hatte ihn die Polizei auch schon genauer untersucht.
Mateus’ Ideen für Aktionen waren ziemlich dürftig. Sein dümmster Einfall war wohl, dass wir einen Supertanker entern sollten. Einer der besseren, die Scheiben aller Jagdzubehörläden in ganz Kopenhagen einzuwerfen. Aber das wirkte dennoch etwas gewollt. Gleichzeitig war das gesamte Gymnasium in heller Aufregung wegen des bevorstehenden Sommerfestes. Alle Klassen sollten sich nach einem bestimmten Motto verkleiden. Die eifrigen Mädchen in unserer Klasse hatten beschlossen, dass wir „Alles Gute aus dem Meer“ darstellen sollten. Mateus und ich wollten als Fischer kommen. Ich machte wie ein Oberstreber alle Hausaufgaben und erschien zu allen Unterrichtsstunden.Ganz allmählich konnte ich sehen, wie meine Fehlzeit prozentual gesehen schrumpfte, Dezimalzahl um Dezimalzahl.
Nach der letzten Englischstunde und der abgeschlossenen Analyse eines düsteren, post-apokalyptischen Buchs, das The Road hieß, war die Stimmung angesichts der bevorstehenden Party auf dem Siedepunkt. Überall war hormongesteuertes Kichern zu vernehmen, und die Hosen der Jungs waren gespannt. Vor dem Warming-up bei Mateus schauten wir noch schnell bei Tobias vorbei.
Tobias brach in heiseres Gelächter aus, als ich ihm von Henrik erzählte.
„Der klingt aber wirklich nervig, dein Stiefvater“, sagte er und reichte uns seinen Joint weiter.
„Jawohl, Tirol.“
„Wie bitte?“, fragte Mateus von seinem Sessel aus. Keiner von uns konzentrierte sich auf den französischen Film, den Tobias im Hintergrund laufen hatte, seit wir kamen. Er selbst hatte währenddessen in einem Buch gelesen.
„Das sagt er ständig. Jawohl, Tirol.“
„Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt“, sagte Mateus und konnte sich vor Lachen kaum noch halten.
„Erstens kommt es immer anders, und zweitens als man denkt“, äffte ich Henrik nach.
„Nicht übel, sprach der Dübel und verschwand in der Wand“, sagte Tobias.
„Let’s fetz, sagte der Spatz und flog in den Ventilator“, konterte Mateus. Ich musste anfangen zu lachen, auf diese angenehme Weise, die einem den Magen wärmt. Ich war bestens bekifft – und bester Laune.
Als wir kurze Zeit später zu Mateus nach Hause gingen, waren wir total breit. Wie immer hatte ich ein bisschen Bammeldavor, Mateus’ Mutter zu begegnen, die mir gegenüber immer ziemlich schroff war.
„Wie ist das eigentlich“, fragte ich Mateus, „trifft sich deine Mutter immer noch mit diesem …?“
„Lindhardt? Jepp.“
„Und ist sie glücklich?“
„Keine Ahnung, sie macht nicht viel Aufhebens darum.“
„Aber warum?“
„Es könnte gut und gern was damit zu tun haben, dass ich gesagt habe, er soll sich von diesem Haus hier fernhalten. Aber ehrlich gesagt habe ich keine Lust, darüber zu reden.“ Er lächelte mich angestrengt an und sah dabei aus wie jemand, der gerade einen Schluck zehn Jahre alte Milch getrunken hat.
„Kein Problem“, sagte ich und zündete einen Stummel von dem Afghanen an, um unseren Schwebezustand noch ein wenig zu verlängern.
„Und mein Vater hat neuerdings auch eine Freundin.“
Als Rasmus und Jannik kamen, waren wir ein wenig in unserer eigenen Welt versunken. Als Mateus’ Mutter den Kopf zur Tür hereinsteckte, war ich allerdings sofort wieder voll da. Zum Glück verschwand sie gleich wieder.
Ich trank meine Breezer, die anderen ihr Bier, und
Weitere Kostenlose Bücher