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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Krankenhäusern.«
    »Warum bist du dann hier?«
    »Mein Horoskop. Es hat mir prophezeit, dass eine gute Tat heute reichlich belohnt wird. Und da ich gerade eine Freistunde hatte …« Verlegen schlägt er seine Augen nieder, was ihn noch attraktiver macht, weil er das ganz sicher nur äußerst selten ist. Jetzt erst sehe ich, was für unglaublich lange und dichte schwarze Wimpern er hat, wie eine Frau, die sich falsche angeklebt hat. Ich werde einfach nicht schlau aus ihm. Er kann männlich und lustig sein, aber auch knallhart und sanft, je nachdem, was er einem zeigen möchte. Und immer, wenn ich gerade denke, dass ich ihn durchschaut habe, überrascht er mich wieder.
    Ich überlege verzweifelt, was ich tun soll. Auf der einen Seite würde ich gerne mit ihm Kaffee trinken und über meine Schwester sprechen. Andererseits habe ich gerade Oliver auf dem Gang gesehen. Was, wenn ich Lina im Stich lasse und es dann wieder zu einer Komplikation kommt?
    »Tut mir leid, ich kann hier nicht weg, bis mein Vater zurück ist. Du könntest mir einen Kaffee holen, wenn du magst.«
    »In meinem Horoskop stand auch, Sie werden heute der Sklave einer schönen Frau sein«, sagt er. »Ich habe gedacht, das wäre Unsinn! Ich bin nicht gern der Sklave.« Er zieht einen Mundwinkel zur Seite. »Aber für dich mache ich eine Ausnahme.«
    Er lässt sich erklären, wo man den Kaffee kaufen kann, dann verschwindet er und lässt mich mit dem Riesenblumenstrauß zurück. Dieser teure, aber hässliche Strauß passt zu dem Dennis mit dem schicken Auto, aber dass er mir Kaffee holt, passt zu seinem Verhalten in der Mensa.
    Ich muss diese gigantischen Blumen loswerden. Lina würde diesen Strauß sowieso nicht mögen, früher jedenfalls mochte sie keine Lilien. Und ich finde, sie stinken. Weiß denn niemand, was sie gernhatte?
    Morgen werde ich Mr Singer mitbringen und zu ihr ins Bett legen. Ich gehe mit dem Strauß zum Schwesternzimmer und frage, ob ich ihn dort parken kann, bis ich nach Hause gehe.
    Samira wirkt jetzt wieder vollkommen ruhig und redet mit einem jungen asiatisch aussehenden Pfleger, auf dessen Namensschild Jay-Bayani steht. Jay lächelt mich an und nimmt mir den Strauß ab, was Samira ein missbilligendes Seufzen entlockt. Ich gehe lieber schnell wieder, bevor ich mir einen Vortrag anhören muss.
    Als ich zu Lina zurückkomme, ist Oliver bei ihr. Ohne den weißen Arztkittel sieht er noch verlorener aus als sonst. Niemand würde auf die Idee kommen, ihn für die Rolle des gut aussehenden Oberarztes in einer Vorabendserie zu besetzen, und gerade als ich anfange, ihn zu bemitleiden, wispert eine Stimme in meinem Kopf, dass er zwar kein Casting für eine Arzt-Rolle überstehen würde, das für einen österreichischen Kinderkellerschänder aber allemal.
    Jemand pustet in meinen Nacken und erschreckt mich fast zu Tode. Ich mache einen Satz zur Seite.
    »Spinnst du?« Wütend starre ich Dennis an.
    »Tut mir leid, du warst so in Gedanken, da wollte ich dich nur ganz sanft rausreißen. Hier ist dein Kaffee, mit Zucker und Milch, ich dachte, das könntest du vielleicht mögen.« Er reicht mir den weißen Styroporbecher. »Wer ist denn der Mann, dass du ihn derart anstarrst? Sollte ich eifersüchtig sein?«
    Ich nehme ihm den Becher ab und irgendwie reizt mich sein Verhalten plötzlich so, dass ich in den Becher schaue, den Kopf schüttle und ihn anlüge, nur um sein Selbstvertrauen ein bisschen zu erschüttern. »Ich mag den Kaffee schwarz, ohne alles.«
    »Auch gut.« Er zuckt gelassen mit den Schultern und gibt mir den Becher, den er in der Hand behalten hat, mit einem wissenden Grinsen und stöhnt: »Frauen …«
    Jetzt muss ich über mich selbst lachen.
    »Es steht dir, wenn du lachst.«
    Ich merke, dass ich rot werde, und beschäftige mich damit, die Temperatur des Kaffees abzuchecken. Ich puste auf die heiße Flüssigkeit, nehme kleine Schlucke und gleichzeitig versuche ich, Oliver im Auge zu behalten.
    »Warst du schon einmal hier? Ich meine, im Krankenhaus, bei Lina?«
    »Warum willst du das wissen?« Er zieht eine Augenbraue hoch und legt den Kopf schief. Ich bin sicher, er weiß, dass er dabei großartig aussieht.
    »Weil ich mich gerade frage, ob du mir das mit Alex und Lina nur erzählt hast, um von dir abzulenken. Bist du in Wirklichkeit Linas Freund?«
    Er reagiert völlig gelassen.
    »Wäre ich dann tabu für dich?«, fragt er.
    Jetzt werde ich knallrot. Merlin war für Lina damals nicht tabu.
    »Sag schon, es ist

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