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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Vogel gelangen und dort in aller Ruhe nach dem suchen kann, was Lina dort versteckt hat. Aber das Wichtigste ist jetzt erst mal, dass ich Linas Musik finde und ihr ganz schnell ins Krankenhaus bringe, damit sie endlich wieder aufwacht.
    IV
    Jedoch sie haben kein Wissen hiervon. Sie folgen einem bloßen Wahn; und der Wahn vermag nichts gegen die Wahrheit.
((53:28))
    Er sitzt auf einer Matratze am Boden und inhaliert den Duft seines stark gezuckerten Pfefferminztees wie eine Droge. Ein Luxus, den er sich nur an Festtagen wie heute leistet. Mit dem frisch herben Geruch steigen Visionen in ihm auf, die zwar süß sind, aber sein Herz doch nur mit Trauer erfüllen. Traumbilder seiner Mutter ziehen an seinem inneren Auge vorbei, wie sie ihm ein Teeglas reicht und ihn dabei betrachtet, als sei er ein wundervolles Geschenk, an dem sie sich nicht sattsehen kann. Kein Mensch hat ihn seither jemals so angeschaut. Und dann hört er ihre sanfte Stimme. »Es ist besser für euch, denn dort seid ihr sicher. Dort könnt ihr zu den Menschen werden, die ihr seid.« Immer wieder hat sie es wiederholt, bis sie anfingen, ihr zu glauben. Bis sie dachten, es wäre der einzig mögliche Weg.
    Er schüttelt den Gedanken an seine Mutter von sich. Sie wäre niemals einverstanden mit dem, was er tun muss. Deshalb denkt er lieber über das Letzte nach, was Kimoni zu ihm gesagt hat. »Du musst eine Entscheidung treffen. Willst du ein Philosoph oder ein Kämpfer sein? Willst du über Gerechtigkeit sprechen oder Unschuldigen helfen?«
    Und jetzt? Jetzt war der unschuldige Kämpfer tot.
    War das gerecht? Er schluckte zweimal und atmete tief ein und aus.
    Es war ihm egal, wer unschuldig war und wer nicht. Sein Zorn musste alle treffen und jeden auslöschen, der Kimonis Mörder die Hand gereicht hatte. Jeden, auch Frauen und Kinder!
    Er steht auf und schüttet den restlichen Tee in den Ausguss. Einzig die Tiere würde er verschonen.
    Und sie? Für sie war es schon lange zu spät.

10. Kapitel
    Eine knappe Stunde später komme ich zurück ins Krankenhaus, so lange habe ich gebraucht, um die Musik für Lina auf meinen iPod zu spielen. Ich habe mir auch noch eine selbst gebrannte CD geschnappt, die ich auf Linas Regal gefunden habe, die Filmmusik von Diva. Im Krankenhaus haben sie bestimmt irgendwo einen CD-Spieler. Als ich Linas Station erreiche, sehe ich schon von Weitem, dass ihr Zimmer voller Menschen ist. Sie ist aufgewacht! Endlich! Ich renne die letzten Meter zu ihr hin.
    Pa und Mam, Oliver, Samira und Jay stehen um Linas Bett, wo meine Schwester mit weit offenen Augen regungslos daliegt. Alle Geräte sind ausgeschaltet. Niemand hat Schutzkleidung an.
    Nein! Nein, das kann nicht sein!
    Ich stürme zu ihr und werfe mich auf Lina. Niemand spricht. Niemand hindert mich, niemand sagt »Sie schläft ja nur«.
    Niemand hat sie gerettet.
    Nein, nicht Lina. Meine schöne, meine lustige Schwester. Nein, nein, nein.
    Tränen strömen über mein Gesicht, gleichzeitig steigt Wut in mir auf, unglaubliche Wut. Während ich mit Dennis und Frau Vogel herumgeplaudert und ewig Musik aufgenommen habe, ist sie gestorben, einfach so gestorben.
    Wirklich einfach so gestorben?
    Mir wird übel, als ich daran denke, dass ich vielleicht die falsche Entscheidung getroffen habe, als ich sie allein gelassen habe. Ich drehe mich um, und wenn Blicke töten könnten, müsste Oliver auf der Stelle zu Asche werden, aber ich schaffe es nicht. »Wie konnte das passieren?« Ich versuche, nicht zu schreien, aber trotzdem schrillt meine Stimme durch das Zimmer. »Du hast doch gesagt, dass sie gesund und stark ist! Du wolltest, dass sie stirbt! Du hast sie getötet.«
    Alle schnappen entsetzt nach Luft.
    Ich lege meinen Kopf neben den von Lina. Sie kann nicht tot sein.
    Pa drängt sich zu mir durch. »Ruby, mein Schatz, du weißt nicht mehr, was du sagst. Niemand wollte, dass Lina stirbt. Wir alle haben sie so sehr geliebt.«
    Er zieht mich sanft von Lina weg, aber ich sperre mich, mache mich steif, er gibt sofort auf und streicht mir nur über den Rücken. »Ruby, Ruby, mein Schatz, es ist für uns alle schwer.«
    Seine Stimme bricht. Ich drehe mich um und sehe durch einen Tränenschleier, dass sie mich anstarren.
    Dabei steht jeder für sich allein.
    Mam zittert und weint lautlos, Olivers Augen sind verdächtig rot, seine Schultern gebeugter denn je, und sogar Samira sieht traurig aus. Einzig Jay versucht, mich anzulächeln, was mir total obszön vorkommt, dabei will er mich sicher nur

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