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Dann gute Nacht Marie

Titel: Dann gute Nacht Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
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Ergebnisse bei der OptikTec-Entwicklung erstellen?« Diese Frage war so ziemlich die rhetorischste, die es in der Geschichte menschlicher Kommunikation je gegeben hatte. »Die Aufzeichnungen sind völlig unzureichend! Wir können den Herren heute Abend ja schlecht unsere zusammenhanglosen Notizen präsentieren.« Mit solchen Anliegen kam er immer zu ihr. Immer in letzter Minute und immer mit einem Befehlston, der keinen Widerspruch duldete. LAUTSPRECHER AUS.

    Maries erster Impuls war, dem Auftreten ihres Chefs keinerlei Beachtung zu schenken und die eilige Aufgabe bis zum Abend klaglos zu erledigen. Die Arbeit, die dadurch liegen blieb, war nach ihrem baldigen Tod schließlich nicht mehr ihr Problem. Andererseits hatte sie in ihrer Situation auch nichts mehr zu verlieren und konnte diesen Umstand nutzen, um Schmidt zum wiederholten Mal auf die unsystematische Organisation seiner Abteilung aufmerksam zu machen. Jetzt brauchte er sie. Er wusste genau, dass sie die Einzige war, die die komplexen Zusammenhänge bis zum Abend ordnen und zusammenfassen konnte. UNTERSTREICHEN. Es war also durchaus eine gute Gelegenheit, ihm zum unwiderruflich letzten Mal gehörig die Meinung zu sagen. Sie wollte ja auch noch nach ihrem Tod erhobenen Hauptes in den Spiegel sehen können.
    »Wenn Sie Ihr Projektmanagement nach einem vernünftigen Phasenmodell organisieren würden wie jeder halbwegs professionelle Abteilungsleiter, dann würde es zu solchen Engpässen überhaupt nicht erst kommen. Und Ihre Mitarbeiter müssten nicht jedes Mal Ihre unglaubliche Unfähigkeit ausbaden!«
    Vielleicht ein bisschen scharf geschossen, aber Schmidt war so perplex, dass er nicht widersprach.
    Marie nutzte seine Hilflosigkeit für weitere Ausführungen zum Thema: »Warum legen Sie nicht endlich einen Projektkalender an, wie ich es Ihnen schon vor Monaten vorgeschlagen habe? Dort könnte man alle Eckpfeiler von der Anforderungsanalyse bis zum White-box-Test wunderbar dokumentieren und immer wieder nachlesen. Gäbe es so etwas, dann könnten Sie heute einfach die letzten Ergebnisse heraussuchen und ausdrucken.
Und ich müsste nicht wieder meine Arbeit liegen lassen, um Ihnen aus der Patsche zu helfen!«
    Nach diesem Schlag unter die Gürtellinie fand Schmidt seine Sprache wieder: »Was fällt Ihnen ein, so mit mir zu reden?« Nicht gerade ein überzeugendes Argument zur Sache. »Die Einrichtung eines Projektkalenders ist für unsere Firma nicht praktikabel. Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?«
    »Das ist doch absoluter Unfug! Die meisten Unternehmen arbeiten bei der Softwareentwicklung mit einem Projektkalender. Das ist doch inzwischen üblich. Sie können sogar Ihre Kollegen aus unseren anderen Abteilungen fragen!« Marie lief langsam zur Hochform auf. Die Aussicht auf einen allerletzten Rundumschlag beflügelte sie, ohne Rücksicht auf Verluste ihre Kritik zu äußern. WEITER.
    Auf dem Flur kamen nun immer wieder Kollegen an Maries geöffneter Bürotür vorbei, um wenigstens einen kleinen Teil der brisanten Diskussion aufzuschnappen. Einige zeigten ihr hinter Schmidts Rücken einen nach oben gestreckten Daumen, andere applaudierten lautlos. Wer den Inhalt der Auseinandersetzung im Vorbeigehen erfasste, dem war klar, dass ein Sieg Maries für die gesamte Abteilung extrem positive Auswirkungen haben würde.
    »Mit einem Projektkalender könnte man sowohl die Systemdefinition als auch die Systemspezifikation viel gezielter und damit effektiver angehen. Und er würde auch die Arbeitsteilung bei der Implementierung wesentlich erleichtern.« Marie nutzte die Möglichkeit, ihre Kritik ohne Angst vor Sanktionierung darzulegen, ausgiebig. WEITER. »Ich kann Ihnen gerne einige Vorschläge
zur Realisierung schriftlich ausarbeiten und noch in dieser Woche vorlegen. Dann könnten wir nächste Woche …«
    Das war zu viel für Schmidt. Mit einem gepressten: »Ich erwarte bis heute Abend Ihren Bericht«, stürzte er aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Fast ein bisschen schade.
    Marie dagegen wandte sich mit einem zufriedenen Lächeln wieder ihrem Computer zu und begann sofort mit Schmidts Zusammenfassung für das abendliche Meeting. Der Gute hatte für heute genug zu verdauen. Noch mehr Widerstand würde wohl kaum noch größere Wirkung zeigen, fand Marie und erstellte gut gelaunt für ihren Chef eine Vielzahl bunter Diagramme und Tabellen zu den Programm-Testläufen der OptikTec-Entwicklung. Schon lange hatte ihr die Arbeit nicht mehr so viel

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