Dann gute Nacht Marie
Mozzarella zu den Tomaten- und Zwiebelstücken in den Topf. Die Nudeln kochten ihr auch dieses Mal wieder über, wie sie es schon damals immer getan hatten.
Ben hatte sie deshalb mehrfach gerügt. »Davon wird der Herd auch nicht besser. Kannst du nicht ein Mal aufpassen?« Er selbst blieb immer neben dem Nudeltopf stehen und rührte in regelmäßigen Abständen sorgfältig um. Marie dagegen schoss beim Kochen in der Küche hin und her, räumte hier ein Teil zurück in den Schrank, deckte schon einmal den Tisch oder goss den Wein ein.
»Spießer«, entfuhr es ihr laut, als sie vorsichtig das heiße Nudelwasser mit einem Lappen von der Herdfläche aufnahm. ENTFERNEN.
Während Marie die durchaus gelungenen Nudeln aß,
kam es ihr zum ersten Mal so vor, als gäbe es gute Gründe dafür, dass sie mit Ben nicht mehr zusammen war. Gut so. SPEICHERN. Bei dem Gedanken, diese Capreser Nudeln ohne jegliche Einmischung und Rüge gekocht zu haben, schmeckten sie ihr doppelt so gut, und sie verdrückte die gesamte Portion mit großem Appetit. Bis zu ihrem Besuch bei Alma, den sie in einer Kochpause telefonisch ausgemacht hatte, waren es noch zwei Stunden. Die wollte Marie nutzen, um in der kühlen Herbstluft spazieren zu gehen. Schnell spülte sie das Geschirr und zog sich ihre Jacke und einen Schal an und verließ eilig die Wohnung. GEHE ZU …
Nach einem ausgedehnten Spaziergang im Englischen Garten lief Marie wie verabredet pünktlich in Almas Schwabinger Wohnung ein. Die Freundin empfing sie nach der langen Pause noch überschwänglicher als sonst. Alma umarmte und drückte sie so fest, dass Marie keinen Zweifel daran haben konnte, dass sie wirklich vermisst worden war. Sie entdeckte sofort die neue Kommode im Flur, der offensichtlich der alte Schuhschrank gewichen war.
»Ist die nicht hübsch? So eine wollte ich immer schon haben«, schwärmte Alma, während sie das Teewasser aufsetzte. »Hab ich aus London mitgebracht. Und gar nicht teuer!« Etwas aufgedreht wirkte die Freundin. Sofort fing sie an, vom vergangenen Tag in der Redaktion zu berichten. »Heute war echt viel los. Ich muss mich erst wieder an die Abläufe hier gewöhnen. Ist echt eine Umstellung.« Für Alma sicher kein Problem. »Ich hatte doch diese Reportage über die Anwohner der geplanten Transrapid-Strecke.« Also doch. »Die sollte ja morgen als
Aufmacher auf die Drei. Und dann kamen noch zwei Pressekonferenzen und ein Unfall rein. Die musste ich dann natürlich auch noch redigieren, weil Martin mal wieder einen Termin bei der Krankengymnastik hatte. Ist zwar alles kein Vergleich zu London, aber ich bin trotzdem froh, dass ich wieder hier bin. Irgendwann ist es auch mal wieder gut mit der großen weiten Welt.«
Ohne Punkt und Komma sprudelten nun Almas London-Erlebnisse aus ihr heraus. Gleichzeitig goss sie das fertige Teewasser auf die Teeblätter in der Kanne und nahm Tassen und Löffel aus dem Schrank. Die drückte sie Marie, die in der Küchentür stand, in die Hand: »Trag doch schon mal rein.« Sie selbst kam mit Tee und Kandiszucker hinterher.
Marie hörte Alma gern zu. Ihre kurzweiligen Erzählungen vom Münchner Redaktionsalltag waren schon immer die beste Ablenkung von den eigenen Problemen gewesen, die Storys aus London natürlich erst recht. Unglaublich, dass Alma dieses abwechslungsreiche Leben jeden Tag frei Haus geliefert bekam.
»Aber jetzt erzähl doch mal du! Wie geht’s denn dir überhaupt? Was hat das letzte Jahr gebracht? Was gibt’s Neues? In deinen E-Mails hast du dich ja immer recht kurz gefasst.« Alma lehnte sich auf ihrem Sofa zurück und rührte in ihrer Tasse. Tja, was sollte man darauf sagen, wenn man gerade dabei war, das eigene Ende zu planen, das aber nicht unbedingt an die große Glocke hängen wollte? WEITER.
Das war die Gelegenheit, das Kasimir-Problem anzugehen. Dann war dieses Thema hoffentlich erledigt und Marie aus ihrer Erklärungsnot befreit. Der gutmütige Kater hätte es sicher nicht gerne gehört, dass er in diesem
Moment von seinem Frauchen ohne Zögern in die Problem-Schublade einsortiert wurde. Doch völlig neue Umstände (und das war das Projekt »Selbstmord« zweifellos) erforderten völlig neue Kategorisierungen. Ein menschlicher Mitbewohner zum Beispiel wäre nach ihrem Ableben allein in der Lage gewesen, sich zu versorgen. RÜCKGÄNGIG. Kaum zu Ende gedacht, erschrak Marie heftig über ihre herzlosen Gedanken und leistete Kasimir im Stillen sofort schuldbewusst Abbitte. Vielleicht musste
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