Dann gute Nacht Marie
immer entsprechenden Eindruck. Sie durften demnach unwiderruflich im Bücherregal verbleiben und der Dinge harren, die da kommen würden, beschloss Marie noch in der Mittagspause. ENTER. Trotzdem wurde ihr bei ihrer Privat-Umfrage schnell klar, dass die heimische Bücherauswahl offensichtlich überhaupt nicht dem allgemeinen Literaturgeschmack entsprach. Hier war wohl noch so einiges zu tun.
Von den Lieblingsbüchern ihrer Kolleginnen hatte Marie großteils noch nie etwas gehört. Kein Wunder, da ihr Bücherregal ausschließlich mit Schullektüren und Geschenken von Eltern und Verwandten bestückt war. Und die hatten von aktuellem Lesestoff noch weniger Ahnung als sie selbst.
»Das Tagebuch der Bridget Jones« empfahl Moni für »einsame Winterabende«. Na gut, das kannte sie … aber nur, weil es eine Verfilmung gab. Marianne dagegen schwor auf »Die Päpstin« von Donna W. Cross und »Die
Wanderhure« von Iny Lorentz, was Moni »zum Abgewöhnen« fand.
»Lies lieber ›Biss zur Mittagsstunde‹«, empfahl sie stattdessen. »Das hat mir wirklich gut gefallen. Oder ›Mieses Karma‹ von David Safier!«
Marie hatte gar nicht gewusst, dass ihre Kolleginnen solche Leseratten waren. In der Annahme, sie suche nach einem Zeitvertreib für einsame Stunden, sprudelten die Vorschläge geradezu aus den beiden heraus. Um später bei der Zensur ja nichts zu vergessen, notierte Marie diese vorsichtshalber auf einer Papierserviette. Der letzte Titel passte thematisch jedenfalls hervorragend in ihr Lebens(ende)konzept und wurde mit einem Ausrufezeichen versehen. SPEICHERN.
»Mensch! Da fällt mir noch eins ein«, rief Moni vor Aufregung so laut, dass sich einige an den Nebentischen neugierig umdrehten. »Von Sebastian Glubrecht ›Na servus‹! Du wirst es lieben! Das ist was für Münchner. Musst du unbedingt lesen. Schreib auf!« Marie tat folgsam, wie ihr geheißen. »Und Daniel Glattauer ›Gut gegen Nordwind‹ - auch super.« Moni war gar nicht mehr zu bremsen. Inzwischen hatten schon ein paar andere Frauen zugehört und schalteten sich jetzt in das »Literarische Terzett« ein: Nicole vom Betriebskindergarten steuerte »Das Beste am Leben« von Debra Adelaide und Kerstin Giers »Für jede Lösung ein Problem« bei, Heidi aus der Rechtsabteilung mochte »Die Korrekturen« von Jonathan Franzen, was die anderen nicht verstehen konnten. Trotzdem notierte Marie jeden Vorschlag, schließlich wollte sie nach ihrem Tod nicht nur Allerweltsliteratur in ihrem Bestand haben. Und lesen musste sie es ja nicht mehr. Nichtsdestotrotz hatte sie mit dem Ergebnis
ihrer Umfrage einige literaturlose Jahre zu kompensieren, wofür eine Vielzahl an Titeln vonnöten war.
»Wenn du Frauengeschichten magst, empfehle ich dir ›Die Rosenzüchterin‹ von Charlotte Link«, meldete sich Julia, zu der Marie in der Firma bis jetzt kaum Kontakt gehabt hatte, zu Wort. »Und übrigens, Chapeau für deinen Mut bei Schmidt gestern! Moni hat es mir erzählt. Dem hätte schon lange mal jemand Bescheid stoßen sollen.« Zustimmend nickten die anderen, die inzwischen um den Tisch herumstanden. Waren die Literaturvorlieben in diesem Kreis auch unterschiedlich, so schienen sich in diesem Punkt alle einig zu sein. Die Geschichte von Maries Streit mit Schmidt hatte sich offensichtlich sofort in der Firma herumgesprochen, und Moni und Marianne konnten es nun, da die Sprache darauf gekommen war, nicht lassen, ausführlichst auch ihren Respekt loszuwerden. Marie konnte nicht verhindern, dass die Bestätigung der Kollegen ihr guttat. Trotzdem wurde es durch den überraschenden Themenwechsel schwer, das Gespräch unbemerkt wieder auf ihre Marktanalyse zu lenken.
»Warum brauchst du denn eigentlich so viele Bücher? Lies doch erst mal die, die wir dir schon genannt haben. Da hast du die nächsten Tage genug zu tun.« Diese Anregung von Marianne hatte ja irgendwann kommen müssen. Für unauffällige Recherche war sie offensichtlich nicht geschaffen. Privatdetektei und Undercover-Ermittlung schieden als Berufsalternativen definitiv aus. Na ja, sowieso zu spät. Doch leider ließ sich ein dürftig und in keinster Weise trendy bestücktes Bücherregal mit ein paar wenigen Neuerwerbungen kaum imagetauglich auf Vordermann bringen. WEITER.
»Ich bin schon mal auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken für Bekannte und Verwandte. Bücher eignen sich da am besten.« Etwas früh, aber durchaus nicht ganz unwahrscheinlich, fand Marie. Im Ausreden-Erfinden hatte sie ja
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