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Dann gute Nacht Marie

Titel: Dann gute Nacht Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
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dem sich am Boden bewegenden Buch her und versuchte, es mit der Pfote zu erreichen. Gar keine schlechte Idee, fand Marie, lobte den Kater und gab ihm »Die Päpstin« zum Spielen. Wenn man ein Haustier hatte, konnte es schon mal passieren, dass Gegenstände in Mitleidenschaft gezogen wurden. Auf Kasimir jedenfalls konnte man sich verlassen. Er beteiligte
sich im Gegensatz zu manch anderem äußerst konstruktiv am Projekt »Lebensende«. Alma zum Beispiel hätte sich von ihm durchaus eine Scheibe abschneiden können. Sie war mit ihrer Gerechtigkeitsnummer ja nun wirklich keine Hilfe.
    Mit dem Ergebnis der Bücherzensur zufrieden, nahm sich Marie auch gleich noch den CD-Ständer vor. Schmalzige Filmmusik diverser Liebesschnulzen und platte Partysong-Sampler ereilte das gleiche Schicksal wie ihre Literaturkollegen. Bleiben durften unangepasste Liedermacher aus aller Herren Länder und Klassik-Scheiben von Bach bis Dvořák. Johann Strauß und seine Walzer- und Polkastücke wanderten vorsichtshalber in den Abfall. Kurz dachte Marie darüber nach, ob sie ihre Negativauswahl nach Metall- und Plastikmüll trennen musste, verwarf diesen Gedanken aber wieder. In Anbetracht des eigenen nahen Lebensendes war es wirklich sinnlos, den Umweltschutz so zu übertreiben. Und Nachkommen hatte sie ja schließlich auch keine.
    Als der Müllsack mit den Büchern zum Altpapiercontainer gebracht war, fühlte sich Marie so tatendurstig, dass sie sofort den Laptop startete, um endlich mit der Internet-Recherche zu Todesart und -werkzeug fortzufahren. LOGIN. Halt … erst noch ein Glas Wein … fertig.
    Wieder ging Marie mit Hilfe verschiedener Suchmaschinen auf die Suche nach den ansprechendsten Giftstoffen dieser Erde und wurde fündig. Auf einer Seite wurde ihr Arsen als eines der giftigsten Elemente, die es gab, angepriesen. Sehr sympathisch.
    »Eine Vergiftung durch anorganisches Arsen kann unterschiedliche Folgen haben, wie zum Beispiel Schädigungen des Magens und Darms, eingeschränkte Produktion
der roten und weißen Blutkörperchen, Hautirritationen und Lungenprobleme.« Das klang eher weniger effektiv. Und dass bei schweren Vergiftungen sich die Haut feucht und kalt anfühlte und der Betroffene in ein Koma fallen konnte, machte deutlich: Das war dann wohl doch nichts. »Es können sogar dauerhafte Schädigungen der DNS auftreten.« Danke. Ungeeignet. Setzen. Sechs. VERWERFEN.
    Marie las, dass schnell wirksame Barbiturate in den USA zur Hinrichtung mittels Injektion verwendet wurden. Aha. »Bei einer Überdosierung von Barbituraten kann zentrale Atemlähmung, aber auch Kreislaufversagen auftreten.« Zu vage, danke, nein.
    So langsam war Marie bereit, die Sache mit dem Gift noch einmal zu überdenken. Offensichtlich war es wirklich einfacher, sich aus einem Hochhaus zu stürzen oder vor den Zug zu werfen, als eine publikumswirksame Vergiftung zu organisieren. Doch noch war die Zeit für Kompromisse nicht gekommen. Schließlich war die Todesart der zentrale Punkt eines anständigen Selbstmords. Bei aller Sorgfalt der Lebenszensur und posthumer Zukunftsplanung durfte an diesem Punkt keinesfalls geschlampt werden, fand Marie. SPEICHERN.
    Einige Suchbegriffe und Schlucke Wein später befand sie sich auf einer Internetseite mit der verheißungsvollen Überschrift: »Gift: Wie der Körper sich wehrt«. Sehr interessant, was der Computer zum Thema »Gift« so alles ausspuckte, doch leider völlig ungeeignet: »Damit sich schädliche Substanzen nicht im Organismus ansammeln können, besitzt der Körper Abwehrmechanismen. Sie wirken unter anderem im Darm und in der Leber und differenzieren dabei nicht zwischen Substanzen, die wir
Gift nennen würden, und zum Beispiel Medikamenten.« Na klasse, wenn einem jetzt auch noch der eigene Körper in den Rücken fiel, hatte das Leben wirklich keinen Sinn mehr.
    Vielleicht aber war es doch eine Überlegung wert, das Gift nicht, wie beabsichtigt, oral zu sich zu nehmen. Doch was waren die Alternativen? Injektion? Dass es Probleme bei der Verabreichung geben könne, da die Substanz direkt ins Rückenmark gelangen müsse, war an anderer Stelle zu lesen. Nicht gerade erfolgversprechender. VERWERFEN.
    Als sie nach zwei Stunden schon langsam die Lust zu verlieren begann, stieß Marie auf die Beschreibung von Kaliumchlorid, das angeblich den Herzschlag stoppte. Die lapidare Aussage weckte ihr Interesse. Sollte es wirklich nach langem Suchen doch so einfach sein?
    »Im menschlichen Organismus ist Kaliumchlorid

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