Dann gute Nacht Marie
deinem Mietvertrag nachgesehen wegen Tierhaltung und so?« Alma zerteilte gelassen die geschälten Karotten mit einem viel zu großen Messer in schmale Streifen, die sie anschließend noch einmal halbierte.
Die vergisst auch wirklich gar nichts, dachte Marie erschrocken und suchte erfolglos nach einer passenden Ausrede, die dieses Thema möglichst schnell und diesmal für immer beenden würde. DIESE DATEI KANN NICHT GELÖSCHT WERDEN. WOLLEN SIE DEN VORGANG WIEDERHOLEN? ABBRECHEN.
»Ja, ich hab nachgeschaut. Da steht gar nichts zu dem Thema drin.«
Marie nahm schnell einen tiefen Schluck aus ihrem Weinglas und erwartete, nun den folgenden Kommentar zu hören: »Schade. Das hätte uns wirklich viel Mühe erspart.«
Dumm gelaufen, denn Alma antwortete stattdessen: »Ich hab aber schon mit einem Anwalt gesprochen, den ich von einigen Recherchen ganz gut kenne.« Na danke. »Der meint, du musst wahrscheinlich gar nicht vor Gericht. Das Ganze ist vielleicht mit einem anwaltlichen Schreiben schon getan. Es gibt wohl recht gute Präzedenzfälle. Der würde das auch für dich in die Hand nehmen.« Das wurde ja immer besser.
Alma nahm eines ihrer fertig geschnittenen Karottenstückchen und gab es Kasimir, der ihr schon seit einiger Zeit um die Beine strich, mit den Worten: »Da. Du musst dich ja schließlich auch stärken für das, was da auf uns zukommt.«
Da kommt gar nichts auf uns zu … zumindest nicht auf dich, dachte Marie. Die ganze Angelegenheit erschien ihr jetzt schon so absurd, dass sie anfing, sie lustig zu finden. So etwas passierte sonst nur in Filmen oder Büchern. SPEICHERN. Oder in Goethes »Zauberlehrling«: In die Ecke, Besen, Besen … Nix gewesen.
»Wir können ja nach dem Essen gleich mal alle Unterlagen
und Daten raussuchen. Dann kann ich ihm nächste Woche alles zukommen lassen.« Alma bearbeitete jetzt, in Rage aufgrund der scheinbaren Ungerechtigkeit und Herzlosigkeit deutscher Vermieter, mit Feuereifer eine rote Paprikaschote. Sie bohrte das Messer in das Gemüse und entfernte rigoros Stiel und Kernhaus. Danach ereilte auch die grüne und gelbe Frucht ein ähnliches Schicksal.
Marie gab nun die Zwiebelwürfel in die Pfanne, in der sie bereits etwas Öl erhitzt hatte. »Jetzt reden wir schon wieder die ganze Zeit von mir.« Mit diesem (ziemlich übertriebenen) Standardsatz versuchte sie, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Wie wars denn heute bei dir in der Redaktion?«
»Interessanterweise hatte ich heute einen ähnlichen Fall auf dem Tisch.« Auch das noch. »Da hat ein Vermieter einem Bewohner verboten, in seiner Wohnung Klavier zu spielen, obwohl die Nachbarn gar nichts dagegen hatten. Das war wohl reine Schikane. Der ist aber dann zu uns gekommen, und nach zwei kleinen Artikeln war heute die Sache endgültig vom Tisch. Das wär doch vielleicht auch eine Möglichkeit für dich. Wofür hast du schließlich eine Freundin bei der Zeitung!« Das fragte sich Marie mittlerweile auch. ABBRECHEN.
»Das kann man doch nicht so einfach durchgehen lassen, diese Willkür bei Vermietern! Sind ja nicht die einzigen Fälle. Bei den meisten Ämtern und Behörden ist es genau das Gleiche. Was ich da manchmal mitkriege, macht mich echt wütend!« Während sie die Zucchini mit heftigen Bewegungen in schmale Scheiben hackte, fuchtelte Alma immer wieder wild mit dem Messer in der Luft herum, als wollte sie die verhassten Vermieter damit
das Fürchten lehren. Sie redete sich so sehr in Rage, dass Marie langsam Angst bekam, die Geschichte könnte vielleicht zu sehr eskalieren. Was, wenn die Freundin sich in ihrer Wut wirklich den Vermieter vorknöpfte, um ihm gehörig die Meinung zu sagen? Oder einfach einen Artikel in der Zeitung schrieb? Er konnte sie wegen Verleumdung verklagen. Nun gut, bis zur Verhandlung war sie längst nicht mehr auf dieser Welt. Hoffentlich.
»Du darfst dir das auf keinen Fall gefallen lassen!« Almas Messer schoss wieder einmal blitzschnell durch die Luft, sodass Marie instinktiv den Kopf einzog, um nicht von der scharfen Klinge erwischt zu werden. »Ich sage dir«, Alma tippte der Freundin kurz mit der Messerspitze auf die Brust, »man muss sich wehren heutzutage!« Zwei weitere Hackbewegungen trafen die Zucchini, danach ging wieder ein Stich in die Luft. Marie wollte schon anmerken, dass das Gemüse bei einer Trefferquote von höchstens fünfzig Prozent der Schnitte kaum an diesem Abend noch fertig werden würde, da schwang Alma das Messer so erregt vor sich her,
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