Dann gute Nacht Marie
festlich.« Nicht ganz wahr, aber der Zweck heiligte die Mittel. UNTERSTREICHEN.
Die junge Verkäuferin führte sie in den ersten Stock und präsentierte ihr verschiedene Kleider oder Kombinationen, die Marie doch ruhig probieren sollte. »Ein Hauch von Spitze, der die Figur umspielt« erwies sich jedoch als ebenso ungeeignet wie das »Glamour-Modell mit dem elegant gearbeiteten Brustbereich«. Ein violettes, mit Pailletten-Stickerei besetztes Abendkleid, das »durch raffinierte Details« bestach, wie die Dame erklärte,
war Marie dann doch etwas zu extravagant. »Die figurschmeichelnde Anordnung der Pailletten steht Ihnen ausgezeichnet«, versuchte die Gute es weiter, »und die Farbe passt wunderbar zu Ihrem Typ.« Doch Marie konnte nur daran denken, was ihre Hinterbliebenen sagen würden, wenn sie dieses Kleid in ihrem Schrank fänden. Da wäre auch denen, die sie nicht besonders gut kannten, sofort klar, dass sie es nie getragen haben konnte. Also bremste sie die Verkäuferin sofort, als diese ein goldschwarzes Spitzen-Top mit dazugehörigem Rock anschleppte, mit dem Hinweis, dass der Anlass so festlich nun auch wieder nicht sei.
»Dann hab ich was für Sie«, meinte diese daraufhin eifrig, und Marie befürchtete schon das Schlimmste. Doch das orangefarbene mit Blättern und Blüten verzierte Stickerei-Top, dessen Farbe laut Aussage der Verkäuferin »Mandarin« hieß und das durch seinen Stehkragen die Schultern verführerisch frei ließ, hätte sie fast zum Weiterleben animieren können. In Kombination mit einer modisch weiten schwarzen Hose aus weichem Stoff ließ es die Verkäuferin in wahre Begeisterungsstürme ausbrechen. Dass vielleicht auch der stolze Preis der Grund dafür sein konnte, kümmerte Marie nicht im Geringsten. Gekauft. SPEICHERN. Und weil sie auch in einem weißen Long-Blazer mit gleichfarbiger Hose eine ziemlich gute Figur machte, verließ sie kurz darauf den kleinen, aber feinen Laden mit zwei vollgepackten Tüten und nicht im Mindesten geringerer Unternehmungslust. Es lief gut - jetzt nur nicht nachlassen.
Um nun auch noch etwas anderes als nur edelste Abendgarderobe in ihrem Kleiderschrank unterbringen zu können, ging Marie als Nächstes in ein Kaufhaus. Hier
erstand sie einen burgunderfarbenen Strickpulli und einen dazu passenden weit schwingenden Rock mit schwarz-rotem Karo-Muster. Wann sie zuletzt ein derart farbiges Kleidungsstück gekauft hatte, daran konnte sie sich gar nicht mehr erinnern. In den letzten Jahren hatte sie eher gedeckte Töne bevorzugt und sich in der Hauptsache schwarz oder grau angezogen.
Nun hatte sie sich eine kleine Pause verdient, fand Marie und betrat ein kleines Café in der Fußgängerzone, in dem sie während ihrer Studienzeit öfter gesessen und gelernt hatte. Sie bestellte einen großen Milchkaffee und zur Feier des Tages ein Stück Apfelkuchen und bewunderte noch einmal die neu erstandenen Schätze. Der Kellner ließ es sich nicht nehmen, das mandarinfarbene Top mit einem anerkennenden: »heißes Teil« zu kommentieren. Marie fühlte sich bestätigt und plante sofort in Gedanken weitere Anschaffungen. Was noch fehlte, waren auf jeden Fall ein paar flippige T-Shirts und Blusen, vielleicht eine Jacke, mindestens ein Kleid, die geplanten Dessous und natürlich die passenden Schuhe. Wenn sie das alles heute noch schaffen wollte, musste sie wohl oder übel einen Zahn zulegen. Ein Blick auf die Uhr bestätigte das: kurz vor sechzehn Uhr. Nur noch vier Stunden bis Ladenschluss. ÜBERSPRINGEN. Schnell stopfte sie sich den letzten Bissen Kuchen in den Mund, schickte einen großen Schluck Kaffee hinterher und zahlte eilig.
Als sie durch die Fußgängerzone hastete, um möglichst keine wertvolle Zeit zu verlieren, bemerkte sie plötzlich erschrocken, dass sie ihre Tüten im Café vergessen hatte. Dort angekommen stellte sie mit einem Blick fest, dass die Stühle an »ihrem« Tisch alle leer waren. Doch noch während sie sich Hilfe suchend nach allen Seiten umsah,
in der Hoffnung, ihre Einkäufe in irgendeiner Ecke wiederzufinden, kam der Kellner von vorhin strahlend auf sie zu: »Da sind Sie ja wieder. Ich habe schon gedacht, ich müsste die schicken Klamotten meiner Freundin schenken. Hätte nichts dagegen gehabt.« Marie wusste im ersten Moment nicht, ob sie lachen oder sich ärgern sollte. Sie dankte dem jungen Mann, der ihre Tüten fürsorglich hinter dem Tresen deponiert hatte, und machte sich nun noch eiliger - mit den Tüten - auf den Weg zum nächsten
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