Dann gute Nacht Marie
allein reisen, weil ich einige Einkäufe erledigen muss.« Sollte Herr Sommer doch denken, was er wollte. Sie wollte Klamotten kaufen, und nur darum ging es. »Und außerdem müsste es bald sein, mein Urlaub dauert nur noch zwei Wochen.« Und mein Leben auch, fügte sie im Kopf hinzu und erschrak kurz beim Gedanken an die Endgültigkeit dieser Aussage.
»Oh, da sind Sie aber sehr spontan«, bemerkte der nette Herr Sommer freudig und tippte wieder in seinen Computer.
Eigentlich war sie das ja gar nicht. Doch das nahe Ende verlangte ihr einiges an Spontanität ab, die sie an sich nie vermutet hätte. SPEICHERN.
Der Berater hatte inzwischen einige Angebote ausgedruckt und schob sie Marie über den Tisch. Shoppen in Rom, Schmuckwarenmesse in Athen, Wochenmärkte in der Provence, Einkaufsmeilen in Nizza und noch so einiges mehr war da im Angebot.
Nun war es nicht mehr so einfach, spontan zu sein. Der hilfsbereite Herr Sommer sah Marie erwartungsvoll an und wartete sichtlich gespannt auf ihre Reaktion.
»Bis wann muss ich denn buchen?«
»Nun ja, am Montag wäre die letzte Möglichkeit.«
»Könnte ich die Angebote dann vielleicht mit nach Hause nehmen, damit ich sie mir noch mal in Ruhe ansehen kann?«
»Natürlich, kein Problem. Nehmen Sie sich ruhig noch etwas Zeit.« Er nahm nicht nur die Ausdrucke, sondern auch alle vorher aufgeschichteten Prospekte und
packte sie in eine Tüte. »Ich lege Ihnen noch meine Karte dazu, dann können wir die Buchung am Montag auch gerne telefonisch erledigen.« Marie hatte sich bedankt und einigermaßen zufrieden und erneut voll bepackt das Reisebüro verlassen.
Jetzt, da sie am Sonntagabend in ihrem Bett noch einmal über die verschiedenen Reiseziele nachdachte, tendierte sie immer mehr zum »Shoppen in Rom«. Keine der zur Wahl stehenden Möglichkeiten bot wahrscheinlich so viele unterschiedliche Attraktionen wie die italienische Hauptstadt. Ob Kolosseum, Vatikan oder Trevi-Brunnen, die bekannten Sehenswürdigkeiten waren sicher zahlreich. Trotzdem wollte sich Marie erst morgen entscheiden. Vielleicht hatte sie ja noch eine Eingebung der besonderen Art, dachte sie und resümierte weiter.
Auf dem Nachhauseweg vom Reisebüro war sie noch schnell beim Inder vorbeigegangen und hatte sich das Tandoori Chicken mit Reis zum Mitnehmen gegönnt. Als sie die Treppen zu ihrer Wohnung im fünften Stock erklomm, stieg ihr der Duft des Essens schon so stark und aromatisch in die Nase, dass sie es kaum erwarten konnte. In der Wohnung angekommen, wurde sie von Kasimir freudig begrüßt, der offensichtlich nicht mit einer so baldigen Rückkehr seines Frauchens gerechnet hatte. Vielleicht erwartete er auch die sofortige Einlösung des am Morgen gegebenen Kuschelversprechens oder hoffte auf ein Stück vom Huhn, doch Marie hatte dafür jetzt keine Zeit. WEITER. Zuerst wollte sie gemütlich essen und sich anschließend noch einmal an die Krimi-Recherche setzen. Nachdem orientierungsloses Bücherdurchblättern, wahlloses Krimifernsehen oder auch einfach nur Überlegen bis jetzt nicht den erwünschten
Erfolg gebracht hatten, musste sie die Angelegenheit wohl systematischer angehen. Darin hatte sie ja mittlerweile Übung.
Nachdem sie ihr Lieblingsgericht mit Genuss verspeist hatte, holte Marie wieder einmal ihren Laptop ins Wohnzimmer und startete ihn. Vielleicht musste sie erst einmal genauer über vorhandene Gift-Krimis Bescheid wissen oder erhielt über sie wenigstens einen Anhaltspunkt beziehungsweise eine Idee für ihre eigene angebliche Handlung. Da sie nie besonders gern solche Geschichten gelesen hatte, waren ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet eher gering. Die Suchbegriffe »Krimi« und »Gift« lieferten schnell die ersten Ergebnisse. »Gift« von Charles Atkins, »Blondes Gift« von Duane Louis und »Kaltes Gift« von Nigel McCrery gaben sich in ihren Titeln keine große Mühe zu vertuschen, worin bei ihnen die zentrale Todesursache bestand. Marie sagten sie zunächst einmal gar nichts. Die Beschreibung des Louis-Romans hörte sich interessant an. Vielleicht ließ sich daraus etwas machen. Eine Blondine, die einem Geschäftsmann den Drink vergiftet hat, bindet ihn mit der Aussicht auf das Gegengift an sich.
Beim Weiterlesen erwies sich der Inhalt für Maries Zwecke jedoch als unbrauchbar. Um dem bereits vergifteten Protagonisten die Zeit für die folgende Geschichte zu geben, wurde die Wirkung des Todesstoffs erst nach etwa zehn Stunden angesetzt. Das war für sie viel zu lang.
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