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Dann gute Nacht Marie

Titel: Dann gute Nacht Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
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sie ab und zu eine Tageszeitung besorgt, in der Hoffnung, darin ein interessantes Verbrechen oder zumindest eine Idee für ihren Roman zu finden. SUCHEN … Doch weder dort noch im abendlichen Fernsehprogramm hatte sie eine in allen Punkten brauchbare Idee für ihre Krimihandlung entdeckt.
    Trotzdem machte sie sich auch heute vor dem Frühstück noch einmal auf den Weg durch den grauen Herbstmorgen zum Kiosk, um eine Zeitung zu kaufen. Denn neben der äußerst dringlichen Recherche auf dem Gebiet der Kriminologie war es auch angenehm und eigentlich ein viel zu selten genossener Luxus, beim morgendlichen Kaffee in Ruhe die Tagesnachrichten zu studieren. UNTERSTREICHEN.
    Nach dem derart ausführlich zelebrierten Frühstück ließ sie sich ein Bad ein und verbrachte die nächste Stunde zwischen Schaumkronen und Duftwolken im warmen Wasser. Bridget Jones durfte noch einmal mit dabei sein, zu ungern trennte sich Marie jetzt kurz vor Schluss des Romans von der unterhaltsamen Heldin. Und Happy Ends konnte man schließlich nie genug haben, wenn man schon selbst zu keinem fähig war.
    Sie legte eine erfrischende Gesichtsmaske auf, lehnte sich entspannt in der Wanne zurück und schloss die Augen. Ihre Gedanken wanderten in die unterschiedlichsten Richtungen, Alma, Kasimir, die noch verbleibenden Erledigungen bis zum baldigen Lebensende …
    In diesem Moment, warm und entspannt im duftenden
Wasser der Badewanne, kam es Marie so vor, als sei dieses Lebensende trotz aller eifrigen Bemühungen der letzten Wochen in weitere Ferne gerückt als je zuvor. Doch diesen Gedanken schob sie sofort beiseite, duschte sich mit kaltem Wasser ab und verließ die Wanne. VERWERFEN.
    Sie föhnte und frisierte sich ausgiebig die dunklen Haare und steckte sie am Hinterkopf zu einem lockeren Knoten zusammen. Danach cremte sie sich am ganzen Körper mit einer bräunenden Lotion ein und lackierte Finger- und Fußnägel. Seit Langem wieder einmal zupfte sie sogar die Augenbrauen. Ihre Gedanken aber kreisten immer wieder um den noch zu planenden Mord. Ein Mann kommt vergiftet in der Wanne um? Einfallslos. Eine Frau stirbt durch einen raffiniert umgebauten Epilierer? Dazu brauchte man kein Gift. Oder konnte man vielleicht einen Mord mit einem vergifteten Epilierer verüben? VERWERFEN. Als Marie klar wurde, wie sehr sie sich in ihrem Wunsch nach einem außergewöhnlichen Kriminalfall in zunehmend absurde Vorstellungen verstieg, beendete sie schnell ihre Gedankenspiele. Sie zog beherzt den Stöpsel aus der Wanne, wie um mit dem Badewasser auch alle wirren Überlegungen in den Abfluss hinunterzuspülen.
    »Ich bin zu anspruchsvoll!« Kasimir reagierte mit einem überraschten Kopfheben auf diese laut ausgesprochene Selbsterkenntnis, ganz so, als wolle er sagen, dass diese Einsicht etwas zu spät käme. »Ich sollte mir wahrscheinlich lieber einen einfachen Fall für meinen Krimi suchen«, monologisierte Marie laut weiter, »bevor ich mir ein Ei nach dem anderen lege.«
    Schließlich wollte sie nicht mit einem komplett abwegigen
Konstrukt Lutz Maibachs Heiterkeit oder Misstrauen erregen. SPEICHERN. Mit dieser Erkenntnis befand sie sich nun erneut ziemlich genau am Anfangspunkt ihrer tagelangen Überlegungen. Nicht ganz. Wieder einmal wusste sie jetzt zumindest, was sie nicht wollte. SPEICHERN.
    Nachdem damit immerhin ein kleiner Schritt in Richtung Problemlösung getan war, beschloss Marie, den Rest des Tages mit anderen Dingen zu verbringen. Das gestrige lebensbedrohliche Erlebnis im Supermarkt hatte ihr bewusst gemacht, dass sie ihre verbleibende Zeit nicht ausschließlich mit Arbeit verbringen sollte. Schließlich waren nicht mehr allzu viele Tage übrig, wenn alles nach Plan lief.
    Bis zum Seminar um achtzehn Uhr waren es noch fast sechs Stunden, die sie angenehmer nutzen konnte, als sich mit nebensächlichen Nachforschungen unter Druck zu setzen. Vielleicht fragte Maibach heute Abend überhaupt nicht mehr nach den Inhalten des Krimis, vielleicht sprach er kein einziges Wort mit ihr. Schließlich hatte er jede Menge Studenten, die seiner Fürsorge viel mehr bedurften als sie, die quasi privat teilnahm. Warum machte sie sich überhaupt so viele Gedanken darüber, was sie ihm heute Abend sagen würde? Er war ein Dozent, der ein Seminar hielt, das sie zu Recherchezwecken besuchte. Und zwar nicht, um einen Krimi zu schreiben, sondern um sich auf anständige Weise das Leben zu nehmen . Es konnte ihr nun wirklich egal sein, was der gute Herr Maibach nach ihrem

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