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Dann gute Nacht Marie

Titel: Dann gute Nacht Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
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haben Sie natürlich sicherlich in keinem Fall unrecht. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb ich von einem mir unbekannten Eingeweihten die zu äußernde Diagnose unauffällig zugeraunt bekam. Aber nicht weitersagen!« Lutz zwinkerte ihr verschwörerisch zu, und Marie wurde rot. Dass er derart geschickt seine Rolle spielen würde, obwohl er sie erst vor etwa einer halben Stunde bekommen hatte, hätte sie nicht gedacht. SPEICHERN. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Begeisterung
für diesen spannenden Abend und auch für den souveränen Leibarzt von Minute zu Minute wuchs.
    Zum Glück wurde jetzt - zeitgleich mit dem Abtransport der Leiche - der erste Gang serviert, eine Paprika-Cremesuppe mit Parmesan und Olivenöl, sodass Maibach ihre Unsicherheit nicht bemerkte. Im Gegenteil, wie selbstverständlich beugte er sich kurz darauf zu ihr und flüsterte: »Merken Sie sich jedes Detail. Vielleicht können wir bei passender Gelegenheit noch Gebrauch davon machen!« Aus Angst, er könnte nun wieder nach ihrem Roman fragen, wandte sie sich schnell zu ihrem anderen Tischnachbarn und begann ein Gespräch.
    »Wie sind Sie denn auf dieses Dinner aufmerksam geworden? Hatten Sie einen bestimmten Anlass?«
    »Oh, ich habe es meiner Mutter zum Geburtstag geschenkt. In diesem Jahr sollten es nicht die üblichen Kleinigkeiten sein. Leider haben wir es erst jetzt nach über einem Monat geschafft.«
    »Was für eine nette Geschenkidee«, meinte Marie mit einem Seitenblick zu seiner Mutter, die eifrig nickte, »ich hatte vor fünf Wochen auch Geburtstag.«
    »Dann sind Sie ja auch Jungfrau! Da müssen Sie beide heute diesen Fall lösen. Jungfrauen haben ja eine unglaubliche Auffassungsgabe und analytische Kompetenz.«
    »Sie können aber auch extrem perfektionistisch und penibel sein«, warf Maibach säuerlich ein, »außerdem sind sie sehr unnahbar.« Ein Blick zu Marie ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, von wem er sprach. Dass sich auch die »Mutter des Notars« angesprochen fühlen konnte, kümmerte ihn nicht. Konnte es eventuell sein, dass der souveräne Herr Maibach gerade für einen kurzen
Moment ein kleines bisschen von seiner grenzenlosen Gelassenheit verloren hatte? Falls ja, machte ihn das nur liebenswerter. SPEICHERN.
    Die Suppe war leicht und äußerst aromatisch, der Wein dazu fruchtig und mild. Gleichzeitig spekulierten die von den Schauspielern dargestellten Familienmitglieder lautstark über das überraschende Ableben des Halbbruders und bezichtigten sich bald darauf gegenseitig des Mordes. Marie fand die Streitgespräche der wirklich improvisationsfreudigen Truppe sehr unterhaltsam und freute sich außerdem, dass das Spiel ihrem Begleiter keinerlei Raum für weitere Gespräche über ihr Krimigeschehen ließ. Immer, wenn er glaubte, eine Frage an sie richten zu können, wurden sie von dem Gezeter der Nachkommen unterbrochen. Und abgesehen davon war es durchaus ratsam, den Unterhaltungen einigermaßen aufmerksam zu folgen, denn ab und zu wurden auch die übrigen Anwesenden nach ihrer Meinung über den Todesfall befragt. Schließlich waren alle Zeugen des Ereignisses gewesen.
    Marie duckte sich jedes Mal und vermied erfolgreich jeden Blickkontakt, wenn einer der Schauspieler in ihre Richtung kam. Maibach dagegen hatte - wie sollte es anders sein - kein Problem damit, seine Vermutungen über den Tathergang wortreich zu äußern. Die Hauptspeise, Putenrollbraten mit Tomaten und Vanille-Kartoffelschnee, wurde nicht nur von weiteren Wortgefechten begleitet, sondern auch von einigen Lichtausfällen, die auf ein zur Dramaturgie des Abends gehörendes Gewitter zurückzuführen waren. Beim ersten Mal erschrak Marie so, dass sie instinktiv nach Maibachs Arm griff, woraufhin dieser ihr beruhigend über die Hand strich.

    »Keine Angst, ich bin ja bei Ihnen.« Welch beruhigend kurze, aber eindeutige Aussage eines Leibarztes!
    Zum Dessert gab es wieder Licht, eine Tarte au Chocolat mit Crème fraîche und die Auflösung des Falles. Jeder der Anwesenden wurde gebeten, seine Vermutung auf einen Zettel zu schreiben, bevor der Kommissar endlich das Rätsel löste.
    Die dümmliche Stieftochter des Lords, die Marie trotz analytischem Jungfrauen-Verstand im Bezug auf die Erbfolge verdächtigt hatte, war unschuldig. Letztendlich musste sich der Butler als Täter entlarven lassen, der dem Halbbruder nicht wegen des Testaments, sondern aufgrund einer alten Fehde seine Fischallergie zum Verhängnis hatte werden lassen. Dass der

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