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Dann gute Nacht Marie

Titel: Dann gute Nacht Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
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eine Ausnahme machen. Was meinen Sie?«
    Marie war froh, dass sie die erste Forderung des Abends so einfach erfüllen konnte, und antwortete wahrheitsgemäß: »Gern. Ich heiße Marie.«
    »Ich heiße Lutz. Und weil ich dieses Anliegen unbedingt noch vor Betreten des Restaurants, aber nicht gänzlich stillos hinter mich bringen wollte, habe ich auch etwas mitgebracht.« Er zog eine Piccoloflasche Sekt aus der einen und zwei kleine Plastikbecher aus der anderen Sakkotasche und stieß kurz darauf auf offener Straße mit ihr auf das »Du« an. Der korrekte Herr Maibach. Lutz. SPEICHERN.
    Anschließend an die Zeremonie unter freiem Himmel - Marie wunderte sich über sich selbst, weil sie es nicht albern, sondern richtig nett fand - fuhren sie mit der U-Bahn (Lutz besaß kein Auto) zu einem kleinen italienischen Restaurant in der Innenstadt. Auch das war irgendwie sympathisch und gar nicht so steif, wie sie gedacht hatte, fand Marie und begann langsam, den Abend zu genießen. Nun, da weder Seminar noch Krimidinner ihre Unterhaltung stören konnten, würde sie vielleicht ein bisschen mehr über den Dozenten erfahren, der ihr immer besser gefiel.
    Leider war sie mit ihren neuen, zugegebenermaßen preiswert erstandenen Schuhen nicht besonders gut für einen abendlichen Marsch durch die Stadt gerüstet. Als sie das von Lutz ausgesuchte Lokal betraten, war Marie
äußerst froh, endlich am Ziel zu sein. Ihre Füße schmerzten an den Fersen schon so, dass sie sich das Ausmaß der entstandenen Blasen vorstellen konnte, ohne es gesehen zu haben. Leider wollte ihr Begleiter zunächst den Inhaber, den er offensichtlich gut kannte, und sämtliche Angestellte begrüßen, was erst mit einem Gang in die Küche erledigt war, wo Marie ebenfalls vorgestellt werden musste. Während der ausführlichen Begrüßungszeremonie biss sie tapfer die Zähne zusammen, obwohl sie bei jeder Bewegung spürte, wie der harte Schuhrand weiter an ihrer wunden Ferse scheuerte. BEENDEN? Selbst schuld, wenn man sich seine »Ausrüstung« zu pragmatisch nach völlig sinnlosen Kriterien aussuchte. Den Eindruck des Getragenseins hatte sie jedenfalls schon erreicht. Vermutlich würden die Blutflecken kaum zu übersehen sein. Bei diesem Gedanken musste Marie unwillkürlich an ihr Aschenputtel-Prinzip denken, mit dem sie die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen sortiert hatte. Dass sie das nun auch noch nach dem Motto »Blut ist im Schuh« auf die Spitze treiben musste, war nicht beabsichtigt gewesen. Irgendwie jedoch Ironie des Schicksals, fand Marie und schmunzelte in sich hinein.
    Das Lokal war zwar klein, aber durchaus nicht billig, wie sie bei einem Blick in die Speisekarte sofort registrierte und ebenfalls auf der Pluspunkte-Liste vermerkte. SPEICHERN. Lutz bestellte, nicht ohne sie nach ihren Wünschen zu fragen, einen trockenen Rotwein und eine Karaffe Wasser für sie beide und kam ohne Umschweife zum Thema. »So gespannt, wie du auf dieses Lokal warst, bin ich auf deinen geheimnisvollen Kriminalroman. Am Donnerstag kamen wir ja durch äußerst widrige Umstände
und das beherrschende Programm überhaupt nicht dazu, darüber zu sprechen.« Zum Glück. »Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie man so einen fiktionalen Text verfasst, wie man bei einem derartigen Vorhaben vorgeht.«
    Ich leider auch nicht, dachte Marie und fühlte sich schon wieder unwohl. Ihre Füße schmerzten, sie hatte kein Konzept, keinen Krimi, nichts. ÖFFNEN. Sie versuchte, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was sie sich für diesen Fall zurechtgelegt hatte: Universität, Informatik-Institut, neues Computerprogramm, Giftmord.
    »Ich bin leider in der Entwicklung des Falles noch nicht ganz fertig.« Erst mal Zeit gewinnen. »Aber es steht schon ziemlich sicher fest, dass der Konflikt im universitären Bereich angesiedelt sein wird.«
    »Das ist ja äußerst praktisch. Vielleicht kann ich dir dann auch außerhalb unseres Seminarstoffes bei der einen oder anderen Fragestellung behilflich sein. Hast du eine bestimmte Fakultät im Auge? Ich kenne einige Kollegen aus anderen Fachbereichen ganz gut. Ich könnte sicher ein paar Kontakte für deine Recherche herstellen.« Oh nein, nicht schon wieder ein hilfsbereiter Mensch in ihrem Umfeld, der völlig uneigennützig (oder auch nicht) seinen Beistand anbot!
    Um weiteren Schaden abzuwenden, antwortete Marie schnell: »Das ist nicht nötig. Das Ganze soll nämlich an der Pharmazeutischen Fakultät stattfinden.«

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