Dann gute Nacht Marie
urheberrechtlichen Gründen noch nicht erzählen und habe deshalb eine ähnliche zum Besten gegeben? Nicht schlecht. Doch würde er sich dann vermutlich fragen, warum sie das nicht schon viel früher gesagt hatte. Ja, warum eigentlich nicht? Das wäre die perfekte Lösung ihres Problems gewesen. Zu spät. Die Peinlichkeit von gestern war nicht mehr rückgängig zu machen.
Und wenn sie sich einfach nur für ihren überstürzten Aufbruch entschuldigte und beteuerte, es sei ihr sehr wichtig, dass er ihr verzeihe? Dann würde er vermutlich denken, sie wolle nur unter keinen Umständen den Fortgang der Roman-Fertigstellung gefährden und sich mit Recht benutzt fühlen. VERWERFEN.
Da half nur eins: ablenken. Etwas ganz anderes, Wichtiges, vielleicht sogar Dramatisches musste her, das Lutz Maibach ihre Verirrung vom Samstag einfach vergessen ließ. Und diese Idee musste bald gefunden werden, denn
Marie hatte immer noch sein: »Ich ruf dich an« bei ihrem überstürzten Aufbruch im Ohr. Natürlich wollte er ihr bei diesem Telefonat in der Hauptsache die Illegalität ihres vermeintlichen Plagiats darlegen. Er würde sie ausführlich auf die Parallelen der beiden Geschichten und die Folgen einer Veröffentlichung hinweisen. Und vermutlich bei dieser Gelegenheit auch fragen, wie es zu diesem dreisten Diebstahl geistigen Eigentums gekommen war. Spätestens dann musste die sorgfältig erdachte Ablenkungsgeschichte zum Einsatz kommen. Da Marie aber nicht wusste, wann genau er anrufen würde, war ein guter Einfall nötig, je früher, desto besser. WEITER.
Noch bevor sie das Frühstücksgeschirr spülte, durchforstete Marie sämtliche Zeitungen der vergangenen Tage auf der Suche nach brisanten Ereignissen, mit denen sie ihren Dozenten von der eigenen Pleite des Samstags ablenken konnte. Dabei stellte sie sich vor, wie sie auf seine private Nachfrage hochpolitisch ein bedenkliches: »Diese Situation in Nahost …« oder ähnliches fallen lassen würde. Auch ein: »Was meinst du eigentlich zur Außenpolitik der Amerikaner?« würde ihn mit Sicherheit eher zum Gespräch anregen als überfordern. Doch leider fand sie auf die Schnelle kein Thema, das brisant und trotzdem verständlich genug gewesen wäre. Und bevor sie sich mit ihren laienhaften Kenntnissen ungewollt in die Nähe des nächsten Fettnäpfchens manövrierte, verwarf sie schließlich die hohe Politik als geeignete Ablenkungstaktik.
Erst am frühen Nachmittag kam Marie endlich dazu, ihr Frühstücksgeschirr zu spülen und die Küche aufzuräumen. Nicht gerade die beste Sonntagsbeschäftigung,
doch am siebten Tage zu ruhen war in ihrer Situation sowieso nicht ratsam. Die Zeit war schließlich knapper denn je. SPEICHERN.
Während sie Teller, Tassen und Besteck abtrocknete und in den Schrank zurückstellte, überlegte sie weiter, mit welcher Geschichte sie den Dozenten davon abbringen konnte, genauer über ihren geistigen Diebstahl nachzudenken.
Vermutlich war etwas Persönliches geeigneter als allgemeinpolitische Vorgänge, die sie und ihn nicht unmittelbar betrafen. Denn eine Geiselnahme an der Uni oder Ähnliches hatte es nicht gegeben und war auch für die nächsten Tage nicht zu erwarten. Und selbst eine zu starten … Diese Idee wollte Marie lieber doch nicht weiter verfolgen. Dann hätte sie nämlich nicht nur einen misstrauischen Lutz, sondern auch noch die Polizei am Hals gehabt. Das wäre wirklich ein zu riskantes Ablenkungsmanöver, um das etwas lädierte Autoren-Gesicht zu wahren.
Gerade als Marie dabei war, den Küchenboden zu wischen, was mehr als nötig war, klingelte das Telefon. Lutz? Dass er sie gleich am folgenden Tag anrufen würde, hatte sie nicht erwartet, es ließ aber darauf schließen, dass ihm ihr Krimi-Plagiat keine Ruhe ließ. Wer sollte schließlich sonst am Sonntag ein Interesse an ihrem Befinden haben? Elmar würde an der Wohnungstür läuten, Alma verbrachte Sonntage als Ausgleich zum Wochenlärm am liebsten allein. Also Lutz.
Da Marie zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht wusste, was sie ihm sagen wollte, entschied sie kurzerhand, zunächst den AB drangehen zu lassen.
»Hallo, das ist der Anrufbeantworter von Marie Hartmann. Bitte sprechen Sie jetzt.« Piep.
»Hallo, Marie, hier ist Papa.« Ungewöhnlich. Ihre Eltern riefen sie nur äußerst selten an und wenn, dann meldete sich eigentlich immer ihre Mutter.
»Gott sei Dank, nicht Maibach«, dachte Marie. Abheben wollte sie trotzdem nicht. WEITER.
Sie fuhr mit dem Wischen des
Weitere Kostenlose Bücher