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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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sehr ernst genommen, und ich bin sehr bei mir in diesen jeweils 60 Minuten, die bedauerlicherweise wie im Flug vergehen. Jeden einzelnen Satz, den sie spricht, würde ich gerne aufschreiben. Es tut mir gut, ihr zuzuhören. Jedes unserer Therapiegespräche ist wie eine Art von Nahrungsaufnahme, ein Aufsaugen von neuem Input, von Sichtweisen, Denkanstößen. Ich spüre das, ich ziehe vieles aus dieser Stunde heraus und nehme es an und mit mir mit. Was sie sagt, ist kein hohles Gewäsch, es ist hochkompetent, auf Erfahrung basierend, und dennoch scheint es so, als sei es gerade eben für mich gesprochen. Ich erkenne mich in jedem Satz wieder. Es ist logisch, verständlich, zwingend. All das, was ich eben in Prien so vermisst habe und wonach sich mein Hirn so sehnt. Am Ende kommt 100 Prozent Christian heraus, nicht Person XY , keine Matrix, keine Schablone, kein Passepartout. Meine Hoffnungen liegen stark auf dieser Therapie. Sie ist ein Glück für mich. Ich kann dieser Frau nichts vormachen, so wie ich es bei den Psychologen und Ärzten in Prien konnte. Sie bestärkt mich in dem, was ich will. Was ich eigentlich will.
    Ich will also essen, genießen, ich will Leben in mich aufnehmen – unsicher bin ich aber, welche Nährstoffe ich zum Leben brauche. Damit meine ich nicht nur stoffliche Nahrung, auch seelische. Wie viel wovon und wann will es gefüttert werden, dieses Leben? Ich habe Angst vor den Gewissensbissen, wenn ich es mir wieder »gut gehen lasse«, vor den schlechten Gefühlen und der Konfusion im Hirn, wie ich denn meinem Willen neue Nahrung geben kann. Frau Reich-Soufflet hilft, aber sie stößt mich nicht mit der Nase auf irgendwas. Sie begleitet, sie weist hin, sie gibt Einordnungen. Sie ist Wegweiser, kein Verbotsschild – und kein Vorfahrtzeichen. Sie ist meine Beifahrerin, aber keine auf einer Hochgeschwindigkeits-Autobahn, sondern eine im Gewirr der Straßen. Sie kennt die Richtung und ein paar kleine Abkürzungen.
    Den Weg aber, den muss ich ganz alleine finden.
    Es gibt kein Navi, keine Karte. Nur mich und meinen Instinkt.
    So soll es weitergehen, in diese Richtung. Auf diesem Weg.
    Ich sage das jetzt zutiefst ungern, es kostet mich unglaubliche Überwindung, das hier hinzuschreiben, es fühlt sich an, als hinterließen meine Finger Fettflecken auf der Tastatur, als schöbe mich ein wachsender Bauch vom Tisch weg, auf dem der Rechner steht. Also schreibe ich jetzt einfach ganz knapp:
    Ja, ich habe zugenommen.
    Das klingt jetzt wie das Bekenntnis der Frauen auf dem Stern -Titelblatt im Juni 1971: »Wir haben abgetrieben!« So lächerlich der Vergleich klingt: Genau solch ein Gewicht hat die Sache für mich!
    Ich weiß natürlich nicht, wie viele Kilo (oh, Gott dieses Wort: Kilo! Mehrere!!). Denn ich wiege mich nach wie vor nicht, um den konkreten Schock einer Zahl und eines Vergleichs zu vor einem Jahr oder vor zwei Jahren nicht erleben zu müssen. Aber ich bin definitiv mehr geworden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass immer noch eine Vier am Anfang steht – aber ich befürchte voller Hoffnung, dass ich mich im oberen Bereich der 40er bewege. Frau Reich-Soufflet will mich auf eine Fünf am Anfang bringen, und ich lasse sie – sie soll nur nicht zu oft davon reden, die Zahl nicht zu konkret aussprechen. Ich will es auch – ich will es aber noch nicht hören.
    Noch eine Botschaft an die Wetterer und Kritiker, die jetzt über dieses Buch herfallen. Ich weiß natürlich, dass Sie denken, ich würde vor allem Kapital aus meiner Krankheit schlagen, ich würde sie dafür benutzen, mich wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu begeben und ordentlich Ruhm und Tantiemen abzuräumen.
    Ich kann Sie beruhigen: Reich wird mit so einem Buch keiner. Auch die Öffentlichkeit dient mir nicht nur, denn ich weiß ja noch, welchen Anteil der Rummel um meine Person an meinem körperlichen Verschwinden hatte. Da fühle ich mich gewarnt, gewappnet und bereit. Im Übrigen dient die Öffentlichkeit, die ich schaffe, nicht nur mir, sondern vielen anderen, die im Stillen und Verborgenen einen ähnlichen Kampf führen wie ich – oder denen dieser noch bevorsteht. Kaum eine Krankheit wird so vor der Öffentlichkeit abgeschirmt und von den Betroffenen geleugnet wie Magersucht. Wie Sie lesen konnten, habe ich selbst Jahre gebraucht, um mir die Tatsache einzugestehen. Dieses Buch ist nicht gedacht als eine Klage meines Leids – es ist kein Ratgeber, keine objektive Darstellung eines beklagenswerten Krankheitsbildes, das vor

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