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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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gefunden. Ein Job, zu dem ich ihr natürlich dringend geraten hatte und alles mir Mögliche dazu beisteuerte, damit sie den Job bekam. Gabi flog viel herum und landete in den Paradiesen dieser Erde. Seychellen, Malediven, Mauritius, Dubai und Ko Samui. Ganze Urlaubsperlen-Ketten wurden da aneinandergereiht.
    Viele Lebenspartner nutzten die Gelegenheit, um als » PAD « (Passenger Available for Disembarkation) mit auf Reise zu gehen, als Begleiter, der einen eventuell frei gewordenen Sitzplatz günstig erwerben konnte. Ich blieb freiwillig am Boden und lernte von dort aus alles über das Fliegen. Ich kannte die Three-Letter-Codes der Flughäfen auf diesem Globus, die Fachausdrücke, die kompliziertesten Regelungen von Einsatz- und Ruhezeiten. Ich musste das wissen. Denn so konnte ich mein Leben um Gabis Flüge herumplanen. Er musste ja erhalten bleiben, der Status quo.
    Meine Statur blieb es im Prinzip auch. Zwar hatte ich deutlich abgenommen, aber wirklich schlank war ich noch immer nicht. In Kleidern wirkte ich schmaler, ja – aber darunter hatte ich diese vielen ehemals Fettleibigen bekannten Fettlappen, mit denen ich nun leben musste. Meine Haut war mir schlicht zu groß geworden. Mir passten nun zwar viel engere Hosen und Hemden – aber ich genierte mich, sie an- und erst recht auszuziehen. Ich trug also weiterhin Schlabber-Shirts in XL , was aber irgendwie zu der Erotik in unserer Beziehung passte, die auf der nach unten offenen Knisterskala allenfalls die Größenordnung XS einnahm. Unsere sexuellen Aktivitäten kann man quantitativ – über die Jahre gesehen – bedenkenlos als »nicht der Rede wert« einordnen. Magerkost, mit einigen unerwartet präsentierten Leckerbissen. Und irgendwann wurde ich auf Nulldiät gesetzt. Ich habe das geschluckt, wie alles andere. Als ich wieder einmal abgewiesen wurde, mich mit der kleineren Liebe zufriedengegeben hatte, lag ich wach, um mir zu schwören: »So geht das nicht weiter. Morgen, morgen sage ich es ihr.« Noch ehe der Morgen anbrach, war der Schwur gebrochen. Stille. Der Mann hungerte nach mehr, der Christian gab sich zufrieden. Muss ja auch nicht sein. Hauptsache, sie blieb bei mir. Jemand blieb bei mir. Die Beziehung zu Gabi blieb also, wie sie war – oder wurde immer mehr, was sich schon länger abgezeichnet hatte: Ein aneinander Abarbeiten. Keine Veränderung auch an dieser Stelle.
    Bei Gabi kamen die Dinge also wenigstens beruflich in Bewegung. Sie war dauernd unterwegs. Mir gefiel das. Es traf ja wieder genau mein Bedürfnis, mit ihr zusammen zu sein – aber so wenig wie möglich mit ihr zusammen zu sein, denn das konnte mich ohnehin nicht erfüllen. Wieder machte ihr Wegsein meine Tage hell. Ich arbeitete gerne und viel, verbrachte so viel Zeit als möglich bei der Arbeit. Das schlechte Gewissen war verreist.
    Ich schmiss den Haushalt, flickte das soziale Netz und hielt es zusammen. Wofür, wusste ich nicht so genau. Gabi nutzte es nur selten. Doch wenn sie dann mal für ein paar Tage gestrandet war auf unserer Raunheimer Scholle und startklar für gemeinsame Ausflüge, suchte ich mir eine ganze Besatzung, die uns begleitete. Erst Jahre später wurde ich gewahr, dass es genau das war, womit ich Gabi die Distanz quasi aufzwang. »Gerne«, sagte sie später einmal, »hätte ich mal etwas mit dir alleine unternommen.« So weit ließ ich es aber nicht kommen. Nur keine Sentimentalitäten, keine Tête-à-têtes, keine allzu heftigen öffentlichen Sympathiebekundungen. Wir waren zusammen, aber das musste ja nicht gleich jeder sehen. Und die Gesellschaft anderer bewahrte vor peinlichen Paar-Possierlichkeiten, Zweierbeziehungskistenritualen und Krisenkommunikation. Dabei merkten wir nicht, dass wir längst eine Kommunikationskrise hatten, die nie mehr zu bewältigen sein sollte.
    Wenn sie nach einem Flug ihren Schlüssel in das Schloss unserer Wohnungstür steckte, fiel alle Leichtigkeit von mir ab. Gabi war gelandet, aber sie war noch längst nicht angekommen. Noch lange war sie im Flieger, im Hotel, auf der Firmen-Basis. Gedanklich, verbal. So erfuhr ich alles, wirklich alles, was sie so erlebt hatte, zu Luft, zu Land und am Wasser. Und ich ertappte mich nicht selten dabei, dass ich am Ende der Ausführungen fragte: Und wann musst du wieder weg?
    Aber natürlich hörte ich zu, war ehrlich interessiert, kommentierte und sprang sofort an, wenn es galt, Rat zu geben, Lösungen zu finden. Das waren die Highlights unserer Gespräche, in die Tiefe wagten wir uns

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