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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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erleichternd. Das ist meine Art, mir den Finger in den Hals zu stecken: Ich stecke die Hand in den Kühlschrank und schaue, was in den Müll kann. Mit Vorliebe das, was ich einmal testen wollte, was mir aber Angst macht. Käse zum Beispiel. Harzer zum Beispiel. Der magerste, den man finden kann. Aber eben ein unbekanntes Essobjekt. Also ließ ich ihn verhungern, ihn einfach links oben im gedeckelten Butterfach liegen. Bis der Tag der Erlösung kam. Mindestens haltbar bis … : Oh, sorry, kleiner Harzer. Dumm gelaufen, deine Zeit ist gestern abgelaufen.
    Mit dem Kauf von Kochbüchern und Lebensmitteln war der Seelenhunger natürlich niemals ausreichend gestillt, mit dem Wegwerfen von Nahrung, von der sich kleine Familien locker eine Woche hätten ernähren können, schon gar nicht. Man könnte sogar behaupten, dass durch den Anblick dieser teuflischen Leckerberge und dem gegenüberstehenden Kalorienmangel in meinem Körper erst recht das Höllenfeuer eines Hungers in mir entfacht wurde.
    Also weiter im Shop. Angefixt von den TV-Sternen und Sternchen-Köchen habe ich mir auch gleich noch das passende Küchenequipment gegönnt. Kochtöpfe, Pfannen, Saucièren, Kellen, Rührbesen, Pürierstäbe, und am allerliebsten Geschirr und Besteck. Und natürlich alles vom allerfeinsten. Hauptsache teuer, Hauptsache, es knallt.
    Bergeweise steht das Zeug bei mir herum, stapelt sich in den Regalen und Schränken, zum großen Teil noch unausgepackt. Denn wie gesagt: Kochen war gestern. Ich bin das wandelnde Lexikon der Ernährungsirrtümer, der Nährstoffe, der Gesundheitskost. Der Theorie-Gourmet, der Leib- und Magerkoch des Suppenkaspers.
    Zum Essen verwende ich wie schon einmal erwähnt seit Jahren denselben Teller und dasselbe Besteck, dieselbe grüne Müsli-Obstschale, die mir Gabis Mutter einst schenkte. Ich werde wahnsinnig, wenn ich diese Utensilien nicht habe, besonders meinen Löffel, einen winzig kleinen Laborlöffel mit stecknadelkopfgroßer Kelle. Wenn ich den nicht habe, kann ich gar nichts essen, noch nicht einmal die geringen Mengen, die ich sonst in mikroskopischen Happen in mich hineinlaborlöffle.
    Mein Ersatzkonsum erstreckte sich aber auch längst auf andere, küchenferne und nicht nahrungsrelevante Branchen. Mode, Medien, Musik – da geht schließlich noch einiges. Ich kaufe Bücher, die ich nicht lese (ja nicht einmal auspacke), CD s, die ich nicht höre, und DVD s, die ich mir nicht anschaue, und weil die Technik auch den Trend »weniger ist mehr« kennt, werden die Discs, auch die nicht gesehenen, scheibchenweise gegen Blu-Ray ausgetauscht. Viele Bücher, CD s und Filme habe ich mehrfach. Aber wer, frage ich, soll sich auch noch merken können, was er während eines Kaufrauschs so alles bestellt. Immer wieder erinnere ich mich filmszenegleich an den Tag, an dem der einzige meinen Burgfrieden stören dürfende Mensch, Steffi, ihren Blick durch meine Regale streifen ließ und sagte: »Wow, cooler Film … Aber wieso hast du den dreimal? Und den hier auch? Und diesen?«
    Nur ein ABC der doppelten Spielfilme (und da fehlen bereits die vier Handvoll, die ich weiterverschenkt habe): Apollo 13 , Amadeus, Before Sunrise , Before Sunset , Black Hawk Down , Boston Legal 1 bis 7 , Casino , Club der toten Dichter , Collateral , Crossroads …
    Wenige dieser Filme, schon gar nicht aus der Abteilung D bis Z, habe ich doppelt gesehen. Nur gekauft. Manchen sah ich nicht einmal. Nicht, dass ich mich rechtfertigen wollte – aber das Vergessen wird natürlich dadurch erleichtert, dass die Sachen oft nicht nur in ihren Originalverpackungen bleiben, sondern auch in der Plastiktüte des Geschäfts, in dem ich sie erworben habe. Da verliert man schon mal den Überblick.
    Gleiches gilt für meinen Kleiderschrank. Dort und auf Extra-Kleiderstangen drängen sich Markenanzüge und andere Klamotten bekannter Designer. Ich konnte eine Zeitlang an keinem BOSS -Shop vorbeigehen, ohne dort etwas zu kaufen. Ich habe bisweilen auch schon zweimal die gleichen Hemden gekauft, konnte mich nicht mehr erinnern, dass ich das ja eigentlich schon vor Wochen in Hamburg am Flughafen erstanden hatte. Immerhin konnte ich sicher sein, dass es ein Hemd ist, das mir tatsächlich gefällt. Und immer kaufte ich ein klein wenig größer, denn: Ich bin ja aktuell krank und viel zu dünn. Wenn es als Erklärung taugte, nahm ich mir meine Krankheit einfach als Ausrede. Vor mir selbst, als Erklärung für mich. Die Verkäuferinnen und Verkäufer hinterließ ich

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