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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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weil es mir einfach in vielerlei Hinsicht an Wärme fehlt. Schon rein von der Körpertemperatur: Ein abgemagerter Körper wie der meine gibt sämtliche Wärme sofort ab und behält nichts für sich. Wie gesagt: Keine Dämmung, keine Isolierung. Haut und Knochen wärmen nicht. Die Temperatur in meinen Wohnräumen erinnert den wenigen Freunden zufolge, die mich besuchen dürfen, eher an die einer Großraum-Sauna mit Sonneneinstrahlung.
    Was in puncto Körperwärme mit Aufdrehen der Heizung und Akzeptieren höherer Kosten leicht getan ist, wird im Zwischenmenschlichen ungleich schwieriger. Ich sehne mich nach sozialen Kontakten – und halte mir Besuch so gut es geht vom Leib. Und es geht gut.
    Da ist zum einen die Scham, die ich natürlich auch empfinde, wenn Menschen bemüht an meiner dürren Erscheinung vorbeistarren, sich nicht anmerken lassen wollen, dass sie in mir einen Todkranken oder einen Freak sehen. Die Scham geht aber noch weiter. Menschen, die zu mir nach Hause kommen, würden unweigerlich sehen, wie ich lebe. Wer mich nicht schon lange und sehr gut kennt, könnte irritiert sein, von dem, was er sieht. Besucher sehen, was ich im Kühlschrank habe – oder besser: nicht habe.
    Sie sehen die Berge von Kaufsucht-Beutestücken (»Warum hast du die CD denn zweimal ?«), sie sehen mein Ergometer (»Wozu brauchst du das denn?«), sie schwitzen bei Temperaturen, die bei mir gerade dafür genügen, dass ich nicht mit den Zähnen klappere, sie würden feststellen, dass ein Gespräch mit mir nun eher zäh werden kann, weil ich ungefähr nach jedem Halbsatz aufs Klo rennen muss (»Oje, schon wieder? Na, dann geh mal.«). Und dann ist da der schlichte Wunsch, mich vor der Welt zu verstecken, die ich gerne umarmen möchte, weil sie meinen Wünschen, Hoffnungen und Sehnsüchten eben nur selten entspricht.
    Die soziale Verweigerung hat auch pragmatische Gründe. Vor allem im Job überlege ich mir zweimal, ob ich mich locker auf ein Treffen verabrede. Ich weiß ganz genau, dass ich in meinem Zustand und mit meinem Aussehen eher Kunden verlieren denn gewinnen kann. Bei einem Telefonat hingegen erschrickt niemand, meine Stimme klingt fast noch wie zu 75-Kilo-Zeiten. Den Absender einer E-Mail kann keiner mit Blicken taxieren oder gar nachwiegen. Keiner weiß, welch dünne Fingerchen die Buchstaben-Tasten drückten. Ein Facebook-Kontakt fragt nicht, wie alt das Foto ist, auf dem ich so gesund und lebensfroh in die Welt hineinlache.
    Insofern kommen mir die »modernen Kommunikationswege« entgegen. Aber sie kotzen mich auch an, weil sie mich immer mehr vom Eigentlichen entfernen. Denn nichts bedeutet mir weniger als der zigste Facebook-Xing-Kontakt, nichts ist wertvoller als die ehrliche Umarmung eines besorgten Freundes. Und so sitze ich da in meiner Ecke und leide an meiner selbstgebauten Isolation.
    Oft denke ich dann: »Selbst schuld.« Das meine ich gar nicht selbstmitleidig oder vorwurfsvoll – es ist die nüchterne Bilanz meines Lebens. In diese Ecke bin ich gekommen, weil meine Eigeneinschätzung völlig grundlos schon immer sehr negativ war. Wenn mich ein Kunde lobt, ich hätte einen »Super-Job« gemacht, kann ich das nie annehmen, sondern muss immer gleich zurückmelden, dass er aber auch ein perfekter Kunde sei, das ja so schwer nicht war oder ich einfach Glück gehabt hätte. Warum kann ich nicht einfach nur »danke« sagen?
    Ich glaube, das hat vor allem mit der Tatsche zu tun, dass ich nie das Gefühl hatte, nur um meiner selbst willen »geliebt« worden zu sein. Zumindest von einigen mir besonders wichtigen, sagen wir: das Leben prägenden Menschen. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich etwas dafür tun musste, damit mich jemand mag oder gar liebt. Das war bei meiner Mutter so, das war bei meiner Freundin so. Das ist bis heute mein Gefühl, wenn ich neue Menschen treffe, die mir mit großer Sympathie und Freundlichkeit begegnen. Die mir heutzutage mit herzerwärmender Hilfsbereitschaft begegnen.
    Manchmal kommt mir der Gedanke: Genieße ich es denn nicht auch ein bisschen, plötzlich Hilfe von allen Seiten zu bekommen? Im Mittelpunkt zu stehen, in Watte gepackt zu werden? Ist das nicht auch ein bisschen von der ersehnten Wärme? Und vielleicht habe ich auch Angst, dass derlei wieder aufhört, sobald es mir besser geht? »Kultiviere« ich diese Krankheit also auf der Suche nach Zuneigung, Liebe, Fürsorge? Genieße und vermisse ich diese Dinge so sehr, dass ich all diese Lasten auf mich nehme? Kann es sein, dass

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