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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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unterwegs, auch um sich Zuneigung zu sichern, verlor sie von einer auf die andere Minute ihre Selbstständigkeit. Natürlich hatte sie diesen Mann geliebt, hatte ihn auf ihre Art verehrt und geschätzt, er war immer noch ein Ideal von einem Mann für sie – und jetzt war er nur noch tot. Und sie ganz allein. Meine Schwester hat ihre eigene Familie und konnte sich schon immer besser abgrenzen gegen ihre Mutter. Ich konnte und wollte das gegenüber meiner Mutter nicht. Das Gefühl, sie im Stich zu lassen, piesackte mich. Also versuchte ich es erst gar nicht.
    Und das ist im Nachhinein betrachtet ein großes Glück.
    Es ergab sich aus der neuen Nähe und dem regelmäßigen Kontakt eine Dynamik, die ich damals nicht hätte abschätzen können – was gut war, sonst hätte ich mich womöglich frühzeitig auf die Bremse gestellt. Vor allem aber hätte sie das getan, wenn ihr klar gewesen wäre, was folgen würde. Um es kurz zu machen: In unserem beinahe täglichen Zusammenspiel gab es – schon vor Vaters Tod – neben den Erledigungen auch ein Thema, das immer wieder aufflammte.
    Australien.
    Da hatte meine Mutter schon immer hingewollt.
    Wie eine Monstranz hatte sie dieses Thema jahrelang vor sich hergetragen, es war ihr ein dringender Wunsch, die Reise dorthin irgendwann zu machen. Für irgendetwas war es ein Sinnbild. Für Fernweh vielleicht, für dieses »Once in a lifetime«. Schließlich lebte ihre alte Schulkameradin Elisabeth seit Jahrzehnten dort (sie war auch Gabis Gastgeberin gewesen, als sie 1986 dort war). Aber sie hat es sich immer wieder gleich ausgeredet. Zu teuer, zu weit, zu lang, zu beschwerlich. Zuletzt hatte sie es auf die Krankheit meines Vaters geschoben, der ja versorgt sein müsse. Also war sie nie gefahren.
    Auch ich war nie dort. Aber es war immer irgendwie in meinem Kopf. Es war wie ein Fetisch. Gabi war da gewesen. Ich nie. Und dieser Kontinent weckte eben einfach bei fast jedem Begehrlichkeiten. Also kam unser Gespräch immer mal von da oder dort auf das Land der Koalas und Kängurus, da konnten wir uns ganz gut treffen, auf diesem Terrain unseres unerfüllten Fernwehs, unserer gemeinsamen Sehnsucht.
    Irgendwann schlug ich dann einfach vor, jetzt endlich mal hinzufahren. Wir saßen bei ihr am Küchentisch, tranken Kaffee, Tee und redeten belangloses Zeug. »Warum«, fragte ich unvermittelt, »fahren wir nicht mal zusammen nach Australien?« Ich hatte das schon öfter versucht, aber jedes Mal hatte es Widerstand gegeben. Wie gesagt: »Zu weit, zu beschwerlich, du weißt ja, dein Vater …« Und nun? Nichts! Es regte sich kein Widerspruch. Sie schwieg einfach und sah mich an. Ich deutete diesen Blick als: Na gut, dann versuchen wir’s.
    Und das sagte ich. Und sie widersprach nicht.
    So ging es los.
    Für die eine ist es ein »Na gut«, für den anderen ein ungeheurer Energiestoß.
    Ich vertiefte mich in die Organisation dieser Reise, als hinge mein Leben davon ab. Und wenn ich das Ganze unter anderen Vorzeichen betrachte, dann tat es das ja auch. Dazu später mehr.
    Ich rief also bei American Express an, denn meine Karte berechtigte mich zur Nutzung von deren komfortablem Reiseservice. Ich hatte so etwas noch nie ausprobiert. Warum auch? Gabi war einst Reiseprofi, und in der Telekom-Welt wurde einem derlei ohnehin von gefühlten 17 Abteilungen abgenommen. Ich geriet an eine Frau Orszulka, Franziska Orszulka. Ich werde diesen Namen nie vergessen. Ich habe diese Frau bis heute nicht kennen-, aber sie lieben gelernt. Diese Frau war eine Art Entschuldigung für jegliche Frustration und die Pein, die einem in den »Service«-Hotlines dieser Welt angetan wurde. Diese Frau war meine Lebensversicherung, und die meiner Mutter gleich mit. Volltreffer. Es war wunderbar. Sie machte sich sofort an die Organisation, sie stürzte sich mit dem gleichen Eifer darauf wie ich.
    Wir brauchten allen Eifer, den wir kriegen konnten.
    Wir wussten, wir ahnten nicht mal, wie viel Eifer nötig war, um aus einem stummen »Na gut« eine tatsächliche Reisebereitschaft zu formen. Es war eines, die Leine der MS Deutschland zu lösen. Aber sie in Fahrt zu versetzen war etwas ganz anderes.
    Zunächst lief alles wie am Schnürchen. Ich plante, Frau Orszulka riet und wägte ab, sie organisierte und buchte – und meine Mutter schwieg zu allem. In vollem Einverständnis, wie ich annahm.
    Nach und nach trudelten die Reservierungs-Bestätigungen ein.
    Vom 18. Januar bis zum 7. Februar 2011 sollte ich mit meiner Mutter von

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