Dann klappt's auch mit dem Doktor
ständig vor dir rechtfertigen zu müssen. Wenn du nicht sofort weggelaufen wärst â¦Â«
Nils hebt abwehrend die Hand: »Dein Privatleben ist deine Sache. Hier geht es um die Ambulanz, und da sollten wir einige Arbeitsabläufe ändern und optimieren.«
»Okay. Dann werde ich jetzt mal nach Hause fahren und mich ein paar Stunden aufs Ohr legen. Wann genau ist die Besprechung?«
»Um zwei.«
»Gut, dann bis nachher.«
Ich verlasse das Büro und bringe Frau Goldstein die leere Kaffeetasse.
»Und?«, sie schaut mich mitfühlend an.
»Wir sehen uns heute Mittag wieder.« Auf ihrer Stirn bildet sich eine Sorgenfalte: »Also nein, das kann er doch nicht machen. Das verstehe ich gar nicht. Sonst ist der Herr Denner doch immer so ein verständnisvoller Mann.«
Unter dem Goldsteinâschen Mitleidsblick fühle ich mich gleich noch viel schrecklicher. Ich versuche mich zusammenzureiÃen: »Ach, das wird schon gehen. Es scheint ja wichtig zu sein.«
»Hmm, aber Sie sehen ganz schön blass aus.«
Wenn sie so weitermacht, fange ich gleich an zu heulen. Ich finde eigentlich, es geht heute. SchlieÃlich habe ich gestern Abend eine ganze Menge Make-up und Rouge aufgelegt. Ich möchte gar nicht wissen, wie es unter dieser Schicht aussieht.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Nach ein, zwei Stunden Schlaf bin ich wieder topfit«, versuche ich mich eigentlich mehr selbst aufzumuntern.
Frau Goldstein wühlt in ihrer riesigen Handtasche: »Warten Sie, da muss man doch unbedingt was machen ⦠Ich hab da noch ⦠Ach, hier ist sie ja.« Ihre Miene hellt sich auf, und sie drückt mir eine kleine Plastiktube in die Hand: »Hier, probieren Sie die mal aus. Mit einer getönten Tagescreme werden Sie gleich viel frischer aussehen.«
»Ja super, vielen Dank.«
Jetzt, wo ich weiÃ, wie schrecklich ich aussehe, fühle ich mich noch viel, viel schlechter. Ich verabschiede mich mit zitternder Stimme und schleppe mich, gefühlt kurz vor einem Schwächeanfall, aus der Klinik.
Auf dem Heimweg fange ich langsam an, mir wegen der anstehenden Ambulanzbesprechung Sorgen zu machen. Was meint Nils denn bloà mit Arbeitsabläufe ändern? Ich muss bloà aufpassen, dass er mich nicht ausbootet und mir nur noch Deppenaufgaben zuschustert. Hoffentlich will er mich nicht durch seine blöde Studentin ersetzen. So ein Mist! Konnte er nicht unangemeldet bei irgendjemand anderem vor der Tür stehen? Wie soll ich mich bei dem Stress bloà ausruhen? Na ja, vielleicht ist es ganz gut, wenn ich heute nicht so lange schlafen kann. Zwei, drei Stündchen müssen wohl reichen ⦠Nach einem einzelnen oder dem letzten Dienst einer Nachtdienstwoche muss ich mich ohnehin immer wach halten. Sonst kann ich heute Nacht nicht schlafen und leide unter einer Art Jetlag. Das ist das Schlimmste: der Jetlag nach dem Nachtdienst. Nach der letzten Nachtdienstwoche konnte ich ab meinem zweiten freien Tag nicht mehr schlafen. Als ich morgens um vier immer noch kein Auge zugemacht hatte, beschloss ich, die ohnehin schlaflose Zeit zu nutzen. Gegen zehn Uhr hatte ich bereits meine Wohnung geputzt, das Bett neu bezogen, die Wäsche gewaschen, das Silber poliert, diverse Näharbeiten zumindest versucht und meine Einkäufe erledigt. Wenn das Frau Beier gesehen hätte! So ein anständiges Fräulein, das Fräulein Plüm. Danach war ich völlig fertig. Apropos Frau Beier. Die fängt mich vor der Haustür, mal wieder auÃer sich vor Aufregung, ab. Was hab ich denn diesmal verbrochen?
»Frau Plüm! Frau Plüm! Die Fahrräder! Das geht so nicht!« Sie ist völlig auÃer Atem. »Frau Plüm! Das geht nicht, dass die jungen Männer ihre Fahrräder in den Hausflur stellen!«
In der Tat. Das Mountainbike eines meiner Nachbarn steht neben Frau Beiers Hollandrad in der Nische.
»Frau Plüm! Das geht so nicht! Sie, die Frau Kramer, die Frau Mayer und ich, wir haben eine Genehmigung. Die jungen Männer nicht!«, ereifert sich Frau Beier. »Frau Plüm! Wir müssen etwas tun!«
Hab ich richtig gehört? Wir? Seit wann sind die Beier-Ziege und ich bitte schön ein Team?
»Wissen Sie, Frau Beier, ich komme gerade vom Nachtdienst und bin sehr müde. Ich gehe jetzt in meine Wohnung und werde erst mal ein paar Stunden schlafen«, wimmele ich sie ab und schleppe mich die Treppen hoch.
Als ich an der
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