Dann klappt's auch mit dem Doktor
Wohnungstür meines Nachbarn vorbeikomme, öffnet sich diese kurz, und er zwinkert mir grinsend zu. Da hat er sich ja auf was eingelassen. Frau Beier wird ihm das Leben zur Hölle machen. Hmm, aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Dann hat sie weniger Zeit, mich zu piesacken.
Oben ziehe ich mir schnell meinen Pyjama an, um mich endlich ins Bett zu legen. Daraus wird nichts. An der Haustür klingelt es Sturm. Es ist Frau Beier. Widerwillig öffne ich die Tür: »Frau Beier, ich kann in der Fahrradsache leider nichts für Sie tun.«
»Das ist wirklich bedauerlich. Ihre Frau Mutter legt doch immer so viel Wert auf gute Nachbarschaft.«
»Sie legt sicher ebenso viel Wert darauf, dass ich mich nach der Arbeit erholen kann â¦Â« Das tut sie zwar nicht, aber vielleicht weià die Beier-Ziege das nicht. »Regeln Sie das bitte selbst.«
»Das ist wirklich überaus bedauerlich.« Sie funkelt mich bedrohlich an. Die soll sich gefälligst an meinem Nachbarn austoben. »Guten Tag noch.«
Ich schlage Frau Beier die Tür vor der Nase zu und möchte endlich ins Bett. Noch bevor ich die Schlafzimmertür erreicht habe, klingelt es erneut Sturm. Es ist Frau Beier. Wer sonst. »Frau Beier, Sie hier, schon wieder.«
»Denken Sie daran, dass Sie nach der neuen Hausordnung den Müll streng in Bio-, Verpackungs- und Restmüll trennen müssen?«
»Ich würde jetzt gerne schlafen.«
»Als ältestes Mitglied dieser Mietergemeinschaft ist es meine Pflicht â¦Â«
»Schon gut. Natürlich trenne ich meinen Müll vorschriftsmäÃig.«
Natürlich mache ich das nicht. Ich sortiere ihn so über den Daumen gepeilt. Der Sinn des Ganzen hat sich mir noch nicht erschlossen. Wird doch eh fast alles verbrannt. Ich knalle die Tür zu, flitze ins Schlafzimmer und kuschele mich in mein Bett. Endlich schlafen. Doch das soll wohl einfach nicht sein. Es klingelt. Das könnte schon wieder die Beier sein, also stelle ich mich lieber tot, beziehungsweise schlafend. Es klingelt und klingelt. Ich traue mich kaum zu atmen, bis es endlich ruhig wird.
Durch den Beier-Terror hat sich meine Schlafzeit von satten drei auf knapp zwei Stunden reduziert. Auch eine kalte Dusche bringt mich nicht wieder in Form. Mit bleischweren Gliedern schleppe ich mich kurz vor zwei aus dem Haus, um halbwegs pünktlich zu der blöden Ambulanzbesprechung zu kommen. Mühsam versuche ich mein altes, klappriges Auto aus der viel zu kleinen Parklücke zu bugsieren. Das ist ohne Servolenkung gar nicht so einfach, aber nach etwa zwanzig Minuten schweiÃtreibenden Rangierens kann ich, sobald die StraÃe frei ist, endlich losfahren. Beim Blick über die Schulter entdecke ich einen überaus attraktiven jungen Mann, der aus dem Haus gegenüber kommt. Sollte dieses heiÃe Schnittchen etwa ein neuer Nachbar sein? Das heiÃe Schnittchen deutet mir winkend an, dass ich losfahren kann. Hochmotiviert drücke ich den Fuà aufs Gaspedal, um ihm mit meiner schnittigen Fahrweise zu imponieren. ÃuÃerst schwungvoll rast der Wagen los, allerdings nicht nach vorn, sondern nach hinten, direkt in den nächsten Pfeiler, der den Parkplatz begrenzt. Ich habe vergessen, dass der Rückwärtsgang noch eingelegt war. Noch bevor ich die Lage vollends erfasse, steht der hübsche junge Mann an meinem Fenster: »Geht es Ihnen gut? Ist Ihnen was passiert?«
»Nein, danke, geht schon.«
Ich fühle, wie mein Gesicht hochrot anläuft. Es war eindeutig eine blöde Idee, mit dem Auto zur Arbeit fahren zu wollen. Zitternd steige ich aus dem Wagen und begutachte den Schaden. Ich habe Glück gehabt. Auto und Pfeiler haben nur einen kleinen Kratzer. Allerdings spüre ich langsam, dass ich mir wohl ein Schleudertrauma zugezogen habe. Meine Nackenmuskulatur zieht sich schmerzhaft zusammen. Immerhin ist der Wagen noch fahrtüchtig, und so fahre ich langsam zur Klinik. Ich komme mir vor, wie ein verunsicherter Fahranfänger.
Nachdem ich Frau Goldstein telefonisch kurz über meinen Unfall informiert habe, stelle ich mich erst mal in unserer chirurgischen Notaufnahme vor. Meinen Hals kann ich genau null Grad in gar keine Richtung bewegen. Die Schmerzen sind unerträglich. Es ist mir zwar furchtbar peinlich, aber ich werde mich wohl oder übel schon wieder von einem meiner Kollegen behandeln lassen müssen. Noch schlimmer: Klemme hat Dienst und, oh Wunder,
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