Dann klappt's auch mit dem Doktor
betrifft.«
Till schaukelt weiter. »Hat sich dein Weichei-Psychologe eigentlich wieder beruhigt?«
»Keine Ahnung. Ich habe langsam aber auch keine Lust mehr, mir ständig Gedanken darüber zu machen, wo ihn jetzt schon wieder der Schuh drückt.«
»Ich habe es jedenfalls noch nie geschafft, einen anderen Mann so schnell in die Flucht zu schlagen. Scheint ein bisschen empfindlich zu sein, der Gute. Schade eigentlich. Hat sonst ânen netten Eindruck gemacht.«
»Der Typ ist total kompliziert.«
»Das sind wir beide auch. Du quatschst doch die ganze Zeit rum, dass man miteinander reden soll. Dann fang du doch mal damit an.«
»Vergiss es.«
»Feigling, Feigling.« Till streckt mir die Zunge raus.
»Also gut. Vielleicht schaue ich morgen früh kurz in der Ambulanz vorbei und spreche noch mal mit Nils. Aber nur vielleicht. AuÃerdem wird das schwierig, weil die blöde Studentin ihn keine fünf Sekunden aus den Augen lässt.«
»Wie auch immer.« Till klettert aus der Hängematte. »Ich muss wieder los. Ich wünsch dir einen ruhigen Dienst.«
»Was machst du denn heute noch?«
»Ach, alles Mögliche. Hab noch was zu erledigen. Bleib ruhig sitzen. Ich finde selber raus.«
Till klemmt sich den Verpackungsmüll unter den Arm und verschwindet. Ich bin ein bisschen neidisch. Auch wenn ich den ganzen Tag freihatte, Feierabend hätte ich jetzt auch gerne.
Kurz vor zwanzig Uhr wartet Vera in der Klinik bereits ungeduldig auf ihre Ablösung.
»Schön, dass du kommst. Ich habâs ein bisschen eilig. Till hat mich vorhin angerufen. Ich bin mit ihm zum Essen verabredet«, berichtet sie, während sie sich in der Umkleide bereits ausgehfein macht.
»Mit Till?« Da falle ich wirklich aus allen Wolken.
»War so âne spontane Idee. Ist nur ein Essen. Nichts Wildes. Wir wollen unser Verhältnis zueinander wieder normalisieren.«
»Ihr hattet nie ein normales Verhältnis zueinander. Entweder habt ihr euch bis aufs Blut gestritten oder ⦠nun ja.«
»Vielleicht können wir ja jetzt so was wie Freunde werden.«
»Warum habt ihr mir denn nichts gesagt? Ich hätte dich doch früher ablösen können.«
»Ach, wir treffen uns eh erst in einer halben Stunde, aber ich wollte mich noch zurechtmachen.«
Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen enttäuscht bin, weil Till mir nichts davon erzählt hat. Gut, die beiden sind mir keine Rechenschaft schuldig. Trotzdem hätte er ja mal was sagen können. Der alte Heimlichtuer. Das ist mal wieder typisch!
»Du siehst umwerfend aus. Und das sogar nach einem so langen Arbeitstag«, versuche ich Vera aufzumuntern.
Das ist noch nicht einmal gelogen. Vera ist eine der wenigen Frauen, die nach einem Dienst noch wie das blühende Leben aussehen.
»Danke, auch wenn ich mich nicht so fühle. Ich bin total genervt von den vielen jugendlichen Alkoholleichen. Vier Stück hatte ich heute schon vor sieben Uhr. Alle hatten sich schön vollgekotzt oder in die Hose gepinkelt. Ich werde den Geruch schon gar nicht mehr los. Deshalb müsste ich eigentlich noch mal schnell nach Hause, um zu duschen.«
»Na, dann beeil dich. Viel Spaà euch beiden«, wünsche ich ihr, obwohl ich ein bisschen traurig bin, dass sich alle anderen vergnügen können, während ich heute Nacht arbeiten muss. Aber so ist das eben.
Schwester Petra hat heute leider frei, sie kann ja schlieÃlich nicht immer im Dienst sein. Dafür werde ich von Pfleger Johannes unterstützt. Einen Meter achtzig groÃ, schlank, aber muskulös, mit braunen Locken und eisblauen Augen ist er der Poolboy-Traum aller Frauen. Er jedoch träumt lieber von jemandem wie Till oder Nils. Johannes ist ein guter Ersatz für Petra. Er schafft es, mich trotz meiner Müdigkeit bei Laune zu halten, was nicht leicht ist. Ohrenschmerzen, Husten, Fieber, geprellte Knöchel, in die Nase gestopfte Murmeln und Schürfwunden behandeln wir in
Rekordzeit.
Kurz vor Mitternacht stapft eine kleine vierjährige Dame in das Behandlungszimmer. Rosa Kleidchen, rosa Lackschühchen, rosa Söckchen und rosa Handtasche. Das könnte glatt mein Kind sein! Sie lässt sich von ihrem Papa auf die Untersuchungsliege heben und packt erst mal sorgfältig ihr Handtäschchen aus. Ein Nuckelfläschchen mit Wasser, eine kleine Puppe, ein Schnuller und ein Schnuffeltuch werden von ihr
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