Dann klappt's auch mit dem Doktor
gerade nichts zu tun.
»Na, ich möchte ja gar nicht wissen, wer Sie heute Nacht so zugerichtet hat, Plümchen«, lästert Dr. Klemme, während er mir eine Halskrause verpasst.
»Das war ein Autounfall«, widerspreche ich ihm vehement. Hätte ich ihn mal lieber nicht um Hilfe gebeten.
»Wie auch immer. Sie haben Glück, dass Sie jedes Mal bei einem Profi wie mir landen.« Nachdenklich sieht er mich von der Seite an: »Ich sehe ja jetzt erst, dass Sie da ein Grübchen auf Ihrer Wange haben. Niedlich, Plümchen.«
»Warâs das jetzt?«
»Ich hole Ihnen noch ein paar Schmerzmittel.«
Das Grübchen in meiner rechten Wange ist kein Grübchen. Es ist eine Narbe. Während ich auf Klemme warte, betrachte ich sie ausführlich im Spiegel über dem Waschbecken. Vor vielen Jahren habe ich mir von meinem Hautarzt an der Stelle ein Muttermal entfernen lassen. Klemme hat recht. Sieht wirklich ein bisschen wie ein Grübchen aus. Ich weià nur nicht, ob ich das gut finden soll. Niedliche Grübchen werden nicht zwingend ernst genommen.
Klemme kommt wieder rein und drückt mir ein paar Pillen in die Hand: »Hier, Sie wissen ja, wie Sie die einnehmen müssen. Ich werde Ihnen zur Sicherheit noch ein Rezept ausstellen. Nur für alle Fälle.« Wir gehen gemeinsam zum Empfangstresen der Notaufnahme, wo die Rezeptblöcke verwahrt werden. Beim Ausfüllen des Rezeptes hält Klemme inne und beobachtet nachdenklich unsere neue OP -Schwester Doris, die gerade frische Nahtsets bringt. Das Gerücht, dass sie lesbisch sei, hat sie ihm vor einiger Zeit frank und frei bestätigt. Ausgerechnet ihm, Dr. Klemme, der sie alle haben kann.
»Wissen Sie, Plümchen«, murmelt er mit einem verstohlenen Blick in ihre Richtung, »das ist doch unmöglich. Zwei Frauen im Bett ohne einen Mann. Wie soll das denn gehen? So sexuell gesehen, meine ich. Die haben doch keinen ⦠Sie wissen schon.«
Oje, Dr. Klemme! Wenn er wirklich denkt, Frauen könnten nur mit einem Penis guten Sex haben, lebt er wirklich hinter dem Mond. Das bestätigt allerdings, was man sich im OP erzählt.
Dr. Klemme soll im Bett eine egomanische Niete sein. Ich werde ihm die Geheimnisse des weiblichen Körpers sicherlich nicht näherbringen.
»Wissen Sie, ich glaube, ich bin für dieses Thema die falsche Ansprechpartnerin.«
»Hmm, ja ⦠Hier Ihr Rezept. Gute Besserung wünsche ich Ihnen. Die Halskrause steht Ihnen übrigens gut.«
»Haha, sehr witzig.«
»Ach ja, der Unfall ist doch auf dem Weg zur Arbeit passiert. Dann müssen Sie noch â¦Â«
»⦠das Unfallprotokoll ausfüllen.«
Klemme grinst, greift über den Tresen und reicht mir eins. Da fällt mir siedend heià ein: Wir haben ein riesiges Problem.
»Ãhm, Dr. Klemme«, raune ich ihm leise zu und deute ihm an, doch etwas näher zu kommen. Das tut er gern. »Das geht nicht. Ich meine das Protokoll. Ich hatte bis neun Uhr Nachtdienst. Jetzt ist es halb drei.«
»Sie haben die Ruhezeiten nicht eingehalten.« Ich nicke schuldbewusst. »Mensch, Plümchen! Wie kann man denn so bescheuert sein und dann einen Unfall bauen.«
»Das hätte jedem passieren können.«
»Ganz ehrlich? Nein. Niemand hier kann sich an die Ruhezeiten halten, aber Sie sind die Einzige, die dann so etwas veranstaltet.«
»Und jetzt?«
»Ihre Medikamente kaufen Sie privat. Alles andere erledige ich. Wagen Sie es bloà nicht, mit irgendwelchen Komplikationen anzukommen.«
Ich nicke schuldbewusst und gehe ziemlich geknickt zur Ambulanz.
»Tach, Gottfried Wendehals!«, grüÃt mich unterwegs der stets gutgelaunte Pförtner, der gerade auf dem Weg zu seiner Raucherpause ist. Witzig, witzig.
Nachdem ich die zulässige Höchstdosis sämtlicher, nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegender Schmerzmittel voll ausgereizt habe, fühle ich mich weitgehend arbeitsfähig. Die Moby-Fit -Ambulanz-Besprechung habe ich zwar verpasst, aber ich habe noch eine Menge Papierkram zu erledigen.
In unserem Büro sitzt Nils an seinem Schreibtisch. Von der Studentin ist weit und breit nichts zu sehen.
»Nils, tut mir leid, dass ich die Besprechung verpasst habe, aber ich â¦Â«
»Ich weià Bescheid. Frau Goldstein hat mich bereits informiert. Ich schreibe gerade das Protokoll der Besprechung und maile es dir dann.«
»Danke, muss ich noch
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