Dann klappt's auch mit dem Doktor
Stunden nach Feierabend oder, besser gesagt, »Feiermorgen« in meinem Bett und telefoniere, anstatt zu schlafen, mit meiner besten Freundin, die eigentlich gerade arbeiten sollte.
»Das geht nicht, du weiÃt doch, dass der überall herumschnüffelt und alles herumtratscht.«
»Es wäre dir also peinlich, wenn er herausfinden würde, dass der Unbekannte dir keine Ruhe lässt?«
»Was unser Pförtner denkt, ist mir im Grunde ganz egal. Schlimmer fände ich es, wenn er Mister Pullunder stecken würde, dass er mich beschäftigt. Dann findet sich der Kerl ja noch wichtiger. Es nervt mich so schon, dass er mir den Schlaf raubt. Auf unangenehme Weise. Ich sollte lieber was Schönes von Ben träumen.«
»Das klingt ja nach Verliebtheitsalarm. Malst du dir etwa schon deine Zukunft zusammen mit Ben aus?«
»Ganz ehrlich? Ein bisschen schon.« Das würde ich Till gegenüber natürlich niemals zugeben. Bester Freund hin oder her. Ich weià ja, wie er auf so was reagiert.
»Und wie rosarot sieht die Zukunft aus?«
»Ich hoffe ziemlich rosa, aber so genau weià ich das noch nicht. Das wird sich mit Sicherheit bei unserem Sylt-Trip herausstellen.«
»Ach ja, genau, eure Fortbildung. Du, ich muss Schluss machen. Die Arbeit ruft. Na ja, eigentlich ruft Oberschwester Marie, die ständig ins Arztzimmer kommt und grimmig aus der Wäsche guckt, weil ich so lange telefoniere. Du solltest jetzt dringend mal schlafen, es ist schon fast Mittag.«
Dass Vera mir immer sagen muss, was ich tun soll, ärgert mich ungemein. Schlimmer ist, dass sie damit meistens recht hat. So wie jetzt gerade. Ich sollte dringend schlafen. Das geht aber nicht.
Nach dem erneuten Pinnwand-Desaster habe ich mit Till, der heute Morgen gegen halb zehn gerade aus dem Carlssons kam, auf meiner Terrasse noch einen Prosecco getrunken und geschlafen wie ein Baby. Bis Tills Schnarchen mich vom Wohnzimmer aus unsanft geweckt hat. Das war so etwa gegen Viertel vor zwölf. Das Sonnenlicht, das durch die Bambusrollos ins Schlafzimmer strömt, wirkt auch nicht gerade schlaffördernd. Jetzt liege ich da und lausche den Grunzgeräuschen von meinem auf dem Sofa schlafenden besten Freund. Will ich Till glauben, so war die Party einmalig gut, und das sogar obwohl diese Theresa dort aufgekreuzt ist. Immerhin hat er es geschafft, nicht wieder mit ihr im Bett zu landen. Bevor er einschlief, murmelte er was von »⦠diese chaotischen On-off-Affären habe ich hinter mir gelassen.« Na, wenn er meint.
Tills Schnarchen ist leider unerträglich. Rasch husche ich Richtung Wohnzimmer, um die Tür zu schlieÃen. Till schläft tief und fest und ⦠igitt, er sabbert auf mein rosafarbenes Seidensofakissen. Im Bett lasse ich meinen Gedanken freien Lauf. Ich kann einfach nicht schlafen. Aber das ist inzwischen auch egal, vor mir liegt meine letzte Arbeitsnacht, und das Leben könnte nicht schöner sein. Ich liebe meinen Beruf und würde ihn jederzeit trotz aller Einschränkungen durch diese ewigen Dienste immer wieder wählen. Vor allem jetzt, wo ich eine eigene Ambulanz bekomme. Aber mal ehrlich. Arbeit, Dienste, Visiten, Schreibarbeit ⦠Soll das etwa alles gewesen sein? Ich brauche definitiv mehr Freizeit. Gut, dass ich ein paar Tage nachtdienstfrei habe. Wunderbare Tage voller Spaà liegen vor mir: Joggen, Schwimmen, Fitness-Studio, Sonnen am See, Mädelsabende, Kino, Shoppen, vielleicht ein Date mit Ben â¦
Den werde ich heute Abend erst mal anrufen, um mich für den lieben Brief zu bedanken. Langsam fallen mir die Augen zu. Doch der Traum, der dann folgt, ist nicht viel besser als in der Nacht zuvor.
Ich sitze in einem dunklen Raum an einem Holztisch mit einer kleinen Stehlampe. Vor mir liegen eine Patientenakte und ein Kugelschreiber. Eine Uhr tickt laut. Mister Pullunder tritt mit seinen zornig funkelnden Rehaugen in den Lichtschein und sagt: »Sie haben noch fünf Minuten.«
Kapitel 3
»Mensch, ist das aufregend, dein erster Ambulanztag! Du siehst todschick aus. Wie fühlst du dich?«, fragt Vera zum hundertsten Mal.
»Eigentlich ganz gut. Ich bin gespannt, wie der Tag wird.«
»Ach, du wirst das ganz phantastisch machen. Die Leute von Moby Fit sind bestimmt total nett. Treffen wir uns um halb eins zum Mittagessen?«
Aufgeregt plappernd gehen Vera und ich den kleinen FuÃweg vom Parkplatz in Richtung Klinik entlang. Heute
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