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Dann klappt's auch mit dem Doktor

Dann klappt's auch mit dem Doktor

Titel: Dann klappt's auch mit dem Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lenz
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Stapel balancieren halbleere Teetassen. Auf einem sogar eine halbvolle Kaffeekanne, in der irgendetwas Pelziges schwimmt. Auf den Aktenbergen auf der Fensterbank stehen verstaubte fleischige Oma-Zimmerpflanzen.
    Mit meiner Stauballergie kann ich hier unmöglich arbeiten.
    Da überfällt mich schon die erste Niesattacke.
    Â»Vielleicht hätten Sie Ihre Haare föhnen sollen.«
    Danke für den Tipp.
    Â»Stauballergie«, murmele ich zwischen zwei Niesern.
    Â»Oh, ach so. Dann lassen Sie uns doch gleich mal auf die Station gehen. Anschließend stelle ich Sie dem Rest des Teams vor.«
    Am Empfangstresen wendet er sich an Frau Goldstein: »Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass eine der Putzfrauen in meinem Zimmer kurz durchwischt? Frau Plüm hat wohl eine Stauballergie.«
    Was heißt hier »hat wohl«? Ich habe eine ausgewachsene Stauballergie und bekräftige das gleich mal mit weiteren Niesern.
    Â»Dr. Denner«, Frau Goldstein tritt in die Tür des Chaosraumes, »Sie wissen doch, dass die Reinigungsfachkräfte per Beschluss des Betriebsrates nicht dazu verpflichtet sind, Ihr Zimmer zu betreten, solange Sie dort Ihre persönliche Ordnung pflegen. Sobald Sie aufgeräumt haben, werde ich jemanden anfordern.«
    Entschuldigend lächelnd dreht sie sich zu mir: »Sie müssen wissen, Dr. Denner hatte sein Büro bislang immer für sich. Aber da nun einer unserer Ambulanzräume von den Chirurgen benötigt wird, müssen Sie und Dr. Denner sich eben ein Zimmer teilen. Das ist doch kein Problem, oder?«
    Â»Nein, natürlich nicht«, antworten Denner und ich wie aus einem Mund. Glaubwürdig klingt es trotzdem nicht.
    Auf dem Weg zur Jugendstation berichtet mir mein neuer Vorgesetzter, was uns dort erwartet. Steve, ein siebzehnjähriger Jugendlicher, wurde stationär aufgenommen, um zu prüfen, ob sein Übergewicht durch eine körperliche Ursache wie Hormonverschiebungen oder einen Tumor bedingt ist. Steve ist zu dick, um das ambulant zu machen. Er wiegt hundertsiebenunddreißig Kilo bei einem Meter sechsundsiebzig Körpergröße. Da er enorm viel Fettgewebe hat, war es fast unmöglich, eine Vene für eine Blutentnahme zu finden. Schließlich wurde das über mehrere Tage verteilt über einen Zugang in einer Arterie gemacht. In den normalen MR -Tomographen passte der Koloss auch nicht rein, weshalb die Suche nach einem Tumor im Kopf in einer Tierklinik, im MRT für Pferde und Kühe gemacht werden musste. Einen Tumor hat Steve nicht. Dafür hatte er Hasch in seinen Socken versteckt. Steve hatte Angst vor dem MRT und erhielt deshalb für die Untersuchung ein Narkosemittel. Nachdem er eingeschlafen war, wollte der Anästhesist ein Überwachungsgerät an Steves kleinem Zeh anbringen. Dabei entdeckte er in beiden Socken die geheimen Drogenvorräte. Ansonsten waren alle Untersuchungen unauffällig. Da ­Steves Übergewicht eindeutig am Essen liegt, wollte man ihm den Einstieg ins Moby-Fit -Programm erleichtern, indem man ihm den Start der Diät unter stationärer Überwachung und intensiver Begleitung anbot. Steve war damit einverstanden. Besser Diät als Schule. Da er jedoch weiterhin ständig beim Kiffen erwischt wird, soll er nun disziplinarisch entlassen werden.
    Beim Gespräch zwischen Denner und Steve bin ich lediglich Zuhörerin, um, wie Denner sagt, etwas von ihm über Gesprächsführung zu lernen. Psychologengespräche sind auch nur Gespräche, finde ich. Dieses hier ist sogar extrem langweilig, bis Steve auf die alles entscheidende Schlüsselfrage: »Hast du schon mal darüber nachgedacht, dir das Leben zu nehmen?«, bockig mit: »Na klar. Da denke ich die ganze Zeit drüber nach«, antwortet. Menschen, die sich umbringen wollen, können wir nicht entlassen. Das weiß auch Steve und lächelt zufrieden.
    Was er nicht weiß: Seine Antwort ist die Eintrittskarte in die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Blöderweise wird Denner ausgerechnet jetzt, wo es spannend wird, angefunkt.
    Â»Frau Plüm, bitte organisieren Sie doch die Verlegung des Patienten in die Psychiatrie. Ich werde die Eltern informieren. Ich muss dringend in die Ambulanz. Frau Goldstein kann eine wichtige Akte nicht finden.«
    Na, diese Suche kann gewiss Jahre dauern. Dann werde ich die Verlegung wohl oder übel allein abwickeln. An und für sich dürfte das nicht so schwer sein. Ich weise

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