Dann klappt's auch mit dem Doktor
Dienstanweisung.«
»Könnte man die Dienstanweisung nicht ein klein wenig lockern?«
»Männerhosen nur für Männer!«
Ich gebe auf: »Ich nehme die Frauen-Bereichskleidung.«
»Na, Schwesterchen, ist doch gar nicht so schwer zu verstehen«, schnarrt das verhärmte Weiblein und schiebt mir einen Stapel Kittel für Schwesternschülerinnen zu.
»Entschuldigen Sie bitte. Hier scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Ich arbeite in dieser Klinik als Ãrztin und habe eine eigene Ambulanz«, erkläre ich dieser grantigen Person.
Das macht meine Position nicht besser. Aha, eine von diesen arroganten Doktoren, scheint der hämische Blick zu sagen, mit dem sie die am stärksten verknitterte Bereichskleidung für Ãrztinnen, die sich in ihrem Vorrat findet, vor mir auf den Tresen knallt.
Eine halbe Stunde später betrete ich in meinem Knitterlook die Moby-Fit -Ambulanz. Die Klinikdusche war wie immer eklig-siffig, der Fön kaputt, und an meinen Haaren, die jetzt aussehen wie bei einem Pudel im Regen, haftet trotz aller Bemühungen noch ein leicht säuerlicher Geruch.
»Frau Dr. Plüm«, begrüÃt mich die Sekretärin, die gleichzeitig als Empfangsdame fungiert, als ich den Wartebereich betrete, »ich bin Frau Goldstein. Sie Arme, ich habe schon von Ihrem Unglück gehört. Das ist ja furchtbar. Wenn Sie mögen, kann ich Ihre Sachen in meiner Mittagspause mit zur Reinigung nehmen.«
In dieser Klinik spricht sich aber auch alles sofort herum.
»Vielen Dank, aber ich glaube, da ist nichts mehr zu machen. Eingelegte saure Kirschen.«
»Oh, wie schrecklich. Kommen Sie mit. Dr. Denner ist bereits in Ihrem gemeinsamen Büro.«
Die Büros und Untersuchungszimmer sind sternförmig um den Empfangstresen im groÃzügigen Wartebereich angeordnet. Frau Goldstein führt mich zu einer kleinen Tür direkt rechts vom Tresen.
»Ich habe ihn gebeten, ein wenig Platz für Ihre Bücher und Unterlagen zu schaffen«, fährt sie fort, während sie die Tür öffnet.
Gemeinsames Büro? Das klingt eindeutig so, als würde ich mir ein Zimmer mit dem Psychologen teilen. Sollte ich als Leitung der Ambulanz nicht ein eigenes Büro haben?
»So, Frau Dr. Plüm, hier ist Ihr Büro, und das ist Dr. Denner, der Gründer und Kopf unserer Abteilung.«
Kopf der Abteilung? Ich dachte, das sollte ich sein?
»Er wird Sie einarbeiten und Ihnen bei allen Fragen zur Seite stehen. Sollten Sie dennoch etwas auf dem Herzen haben, können Sie sich jederzeit an mich wenden.«
Mit einem herzlichen Lächeln und einem aufmunternden Nicken schiebt Frau Goldstein mich in das Büro. Dabei fällt mein Blick auf das Türschild: Dr. med. Dipl.-Psych. N. Denner steht dort. Ach du heilige Sch⦠HeiÃt das etwa, der Mann ist nicht nur Psychologe, sondern auch noch promovierter Arzt? So ein Superhirn hat mir gerade noch gefehlt. Mein Studium habe ich zwar durch viel Fleià in der Regelstudienzeit beendet, aber gleich zwei Studiengänge auf einmal ⦠Gegen meinen Willen bin ich beeindruckt.
Dr. Denner, der gerade Unmengen von losem Papier auf einem Schreibtisch stapelt, dreht sich zu mir um. Ich glaub, mich tritt ein Pferd! Das darf doch nicht wahr sein! Dr. Denner ist niemand anderes als Mister Pullunder, nur dass er ausgerechnet heute dieses spieÃige Kleidungsstück nicht trägt. Mir bleibt vor Entsetzen der Mund offen stehen. Das ist der Kopf der Abteilung, mein Vorgesetzter? Mister Pullunder? Ich hätte gleich nach der Kotzattacke wieder nach Hause gehen und mich krankmelden sollen.
»Frau Dr. Plüm. Was macht der neueste Klinik-Tratsch?«
Er mustert mich von oben bis unten und zieht dabei die linke Augenbraue hoch. So wie der guckt, heiÃt das nichts Gutes.
Ich sage schlagfertig â nichts. Immerhin schaffe ich es, meinen Mund wieder zu schlieÃen.
»Sind Sie bereit? Ich mache Ihnen nur noch ein wenig Platz, dann müssen wir auf die Jugendstation. Einrichten können Sie sich später. Der Schreibtisch hier vorne ist Ihrer.«
Er macht nur noch ein wenig Platz? Wie will er das in diesem Zimmer jemals schaffen? Man kann hier nicht mal einen Fuà vor den anderen setzen. Meterhohe Aktenstapel, lose Zettel und Zeitschriften türmen sich auf dem Boden. Weitere Stapel finden sich auf Denners Schreibtisch, der Fensterbank und den Bücherregalen. Auf den meisten dieser
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