Dann klappt's auch mit dem Doktor
Selten habe ich so gelogen. »Aber wir passen einfach nicht zusammen!«
Das ist die Wahrheit.
Bens Augen verengen sich zu bedrohlich kleinen Schlitzen: »Das ist ja wohl ein Scherz. Hast du gerade PMS, oder was?«
»Nein, es geht mir gut. Es ist mein voller Ernst: Wir passen nicht zusammen.«
»Das wirst du bereuen, hörst du? Eines Tages wird es dir leidtun, und dann wirst du mich anbetteln, dich zurückzunehmen«, stöÃt der zutiefst in seiner winzigen Männlichkeit getroffene Ladykiller zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stürmt davon.
Der einsame Held am Strand. So steht er in der Dünung und schaut auf das Meer hinaus. Wütend. Wartend, dass die böse, böse Frau ihm hinterherläuft, alles soeben Gesagte bereut und vor ihm zu Kreuze kriecht. Da kann er lange warten! Ich zahle bei dem irritiert dreinschauenden Kellner die Rechnung und gehe. Gut, dass wir zwei Schlüssel für unser Zimmerchen haben. Ich reise ab!
Nachdenklich und enttäuscht betrachte ich vier Stunden später durch das Zugfenster den sonnigen Abendhimmel über dem Wattenmeer. Diesen Anblick hatte ich so schnell nicht wieder erwartet. Es wird wegen der ungünstigen Bahnverbindungen noch einige Stunden dauern, bis ich endlich wieder zu Hause bin. Das macht nichts. Hauptsache, ich komme weg von diesem Horrortrip.
Verzweifelt habe ich mehrfach versucht, Till zu erreichen. Wo der sich wohl wieder rumtreibt? Vermutlich hat er gerade ein heiÃes Date mit einer neuen Praktikantin oder geht mal wieder umständlich seiner Ex-Theresa aus dem Weg. Warum ist mein bester Freund eigentlich ausgerechnet dann nicht erreichbar, wenn ich ihn unbedingt brauche? Normalerweise hätte Till mich bestimmt abgeholt und mit diesem Ladykiller-Hanswurst ordentlich Klartext geredet. Vera hätte das zwar auch getan, dabei aber mit Sicherheit eine Straftat begangen und den Kerl gelyncht. Das ist er nun wirklich nicht wert.
Der Zug ist fast leer. An einem frühen Samstagabend reist kaum jemand von Sylt ab. Als Trostpflaster habe ich mir für die Fahrt eine kleine Flasche Champagner und zwölf Austern gegönnt. Dekadent, ich weiÃ, aber ich brauche das jetzt. Da sitze ich nun und nehme gebührend Abschied. Abschied von meiner Lieblingsinsel und von den fröhlichen unbeschwerten Erinnerungen, die mich immer mit ihr verbunden haben. Wahrscheinlich ist mir jeder zukünftige Sylturlaub durch Gedanken an den Ladykiller verdorben. Ich nehme Abschied von meiner Illusion, vielleicht den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Ãberlassen Sie dem Mann das Ruder, und Sie werden Wunder erleben . Stimmt! Ich habe mein blaues Wunder erlebt! Dämlicher Ratgeber! So einen Unfug kann doch keine vernünftige Frau geschrieben haben, sondern nur ein devotes Heimchen am Herd. Oder noch wahrscheinlicher ein Kerl, der uns gutgläubigen Frauen heimlich eine Gehirnwäsche verpassen will.
Kapitel 10
Vera, aufgeschreckt durch meine SMS, komme zurück kannst du mich 23:38 am bahnhof abholen?, holt mich zusammen mit Till pünktlich am Gleis ab. Während der Zugfahrt konnten wir zu meiner groÃen Enttäuschung nicht telefonieren, da der Empfang einfach zu schlecht war.
Ich bin so froh, die beiden zu sehen.
»Das ist ja eine Ãberraschung, dass ihr gleich beide hier auftaucht. Wenigstens auf meine besten Freunde ist Verlass!«
»Auf mich zumindest schon. Monsieur war ja anscheinend mal wieder ewig nicht erreichbar«, stichelt Vera in Richtung Till.
»Ich hatte ein Meeting. Ich habe einen Job, falls dir das was sagt. Du wärst ohne mich doch gar nicht rechtzeitig hier gewesen.«
»Mein Auto ist mal wieder kaputt«, erklärt Vera mir.
»Die fahrende Müllhalde? O nein, ich hoffe, das wird wieder.«
»Bestimmt, aber deshalb musste ich den da um Hilfe bitten.«
»Dann sei mal froh, dass der da dich mitgenommen hat«, giftet Till.
»Du hättest ohne mich doch gar nicht mitbekommen, dass Anna in Schwierigkeiten steckt â¦Â«
»Okay, das reicht«, unterbreche ich die beiden. »Ich bin jedenfalls total froh, dass ihr hier seid. Was wollen wir denn jetzt unternehmen?«
»Na, erst mal was trinken gehen, am besten im Carlssons«, schlägt Till vor.
»Das war meine Idee, du Super-Freund«, protestiert Vera.
»Wie auch immer. Klingt gut. Das sollten wir machen, und wenn ihr beide nicht bald aufhört rumzuzicken, setze ich euch mit
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