Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dann klappt's auch mit dem Doktor

Dann klappt's auch mit dem Doktor

Titel: Dann klappt's auch mit dem Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lenz
Vom Netzwerk:
werde mich wohl auf einen anderen Tipp konzentrieren müssen. Das lenkt mich bestimmt ab. Mein neues Erfolgsziel für morgen: Frauen neigen dazu, zu viel zu arbeiten. Gönnen Sie sich eine Pause! Das klingt gar nicht so schwierig.

Kapitel 15
    Nach einer unruhigen Nacht gönne ich mir zu Beginn meines Tagdienstes auf der Station, für die ich eingeteilt bin, erst mal einen Kaffee, ein Schokobrötchen und einen kleinen Plausch mit den Schwestern. Ich muss mich stärken. Heute ist Chefvisite mit Professor Astrup. Da muss ich ein paar Stunden durchhalten.
    Die Chefvisite verläuft bei uns üblicherweise, ähnlich wie ein Theaterstück, in mehreren Akten. Vera bezeichnet sie lieber als Phasen des hierarchischen Terrors. Einmal die Woche ist es so weit.
    Phase eins ist bereits in vollem Gange: Die Patienten sitzen frisch gewaschen in den Betten, die Mütter, meist maximal aufgedonnert, mit dem schönsten Lächeln auf den Lippen, daneben. Die Zimmertür öffnet sich und herein kommt – eine Kinderpflegerin. Die Mundwinkel sacken herunter, Schminkspiegelchen werden gezückt und der Lippenstift zum mindestens dritten Mal nachgezogen. Die letzte störrische Kinderhaarsträhne wird mit Kinder-Kölnisch-Wasser vom akkurat gezogenen Scheitel aus am Kopf festgeklebt.
    Auf Phase zwei warten wir noch. Die verläuft in der Regel folgendermaßen: Nach einem lauten Klopfen, öffnet sich schwungvoll die Tür des Patientenzimmers und herein schreitet der Chefarzt, der Herr Professor. Hinter ihm, mit ehrfurchtsvollem Abstand, drängelt sich der Rest des Personals ins Zimmer. Professor Astrups Gefolge wird heute nur aus Oberschwester Marie und mir bestehen. Es gibt auf dieser Station zurzeit keinen Oberarzt und auch keine Praktikanten. Mit dem Eintreten des älteren Herrn im weißen Kittel wird der kleine Patient misstrauisch, und die Mutter glaubt ihr Kind umgehend geheilt. Wenige Minuten Entertainment, dann rauschen Chef und Gefolge in festgelegter Reihenfolge wieder hinaus.
    Nach einer kurzen Pause folgt dann für gewöhnlich Phase drei: Die Patientenmutter bemerkt, dass sie dem Chef vor lauter Ehrfurcht gar keine Fragen gestellt hat. Da einiges unklar geblieben ist, klingelt sie. Das müssen wir dann ausbaden.
    Wo bleibt nur Professor Astrup heute? Die eine oder andere alleinerziehende junge Mutter schlendert bereits herausgeputzt mit engem Blüschen, Miniröckchen und Pumps ungeduldig über den Flur. So ein Chefarzt als Familienernährer wäre ja schon was Feines.
    Das wird aber wohl nichts, denn Professor Astrups Sekretärin ruft an. Der Herr Professor habe heute wichtige Termine und keine Zeit für die Chefvisite. Da kann man nichts machen.
    Marie und ich ziehen alleine los. Den Müttern teile ich mit, dass die Chefvisite leider ausfallen muss, der Herr Professor sie jedoch herzlich grüßen lässt. Sofort fühlen sich alle ein bisschen besser. Aber nur ein wenig. Sie sind enttäuscht. Wenn der Herr Professor schon nicht vorbeikommt, dann doch bitte der Herr Oberarzt. Wenn nicht der Herr Oberarzt, dann wenigstens ein anderer männlicher Sympathieträger im weißen Kittel. Stattdessen bekommen sie – mich. Einer der wenigen Väter beschwert sich auch sogleich. »Jetzt sind wir schon seit zwei Wochen hier und haben noch keinen Arzt gesehen. Wann kommt denn hier mal ein Arzt?«
    Â»Steht vor Ihnen, die Frau Doktor, die Stationsärztin!«, versuche ich ihn zu beruhigen.
    Â»Aber Sie sehen so jung aus. Können Sie das hier denn überhaupt schon? Wie alt sind Sie denn? Wann kommt denn der Arzt?«
    Ich kann es nicht mehr hören! Zum Glück gibt es während der Visite auch nette Begegnungen. Besonders ans Herz gewachsen ist mir die vierjährige Emma, die wegen einer Lungenentzündung behandelt wird. Akkurat gescheitelt, die blonden Löckchen mit rosa Bärchen-Haargummis zu zwei Zöpfen gefasst, sitzt sie in ihrem Bett. Das Gesichtchen glänzt frisch gecremt, der rosafarbene Pyjama ist noch glattgebügelt und das halbe Bett mit Barbies bevölkert. Sie strahlt mich mit ihren riesigen babyblauen Augen an: »Guten Morgen, Tante Doktor!«
    Â»Guten Morgen, Emma.«
    Arztgespräche erledigt Emma stets selbst. Da hat ihre Großmutter, die sie betreut, nichts zu melden.
    Â»Wie geht es dir heute?«
    Â»Sehr gut«, strahlt Emma.
    Â»Was macht denn dein Husten?«
    Â»O ja, der hustet die

Weitere Kostenlose Bücher