Dann klappt's auch mit dem Doktor
ich sie.
Vera lässt einen Haufen Tüten im Flur fallen und rennt an mir vorbei Richtung Bad.
»Sorry, ich war noch in der Stadt und muss total dringend.« Nach zwei Minuten kommt sie erleichtert wieder raus.
»Puh! Das war knapp.«
»Na gut, dass ich zu Hause bin. Was hättest du denn sonst wohl gemacht?«, grinse ich.
»Keine Ahnung. Bis zu mir hätte ich es jedenfalls nicht mehr geschafft.«
»Ich sollte wohl langsam ein Hotel mit integriertem Toilettenhäuschen eröffnen.«
»Wieso?«
Ich zeige in Richtung Wohnzimmer.
»Was macht Till denn hier?« Vera beäugt ihn misstrauisch durch die Tür, wie er da so schnarchend und sabbernd auf meinem Sofa schläft.
»Er hatte ein Brainstorming in der Firma.«
»Hat er gekifft?«
»Nein, zum Glück nicht. Danach spuckt er doch immer.«
»Dann musst du dir immerhin keine Sorgen um dein Sofa machen.«
»Leider schon. Mit seiner Sabberei versaut er mir ein Sofakissen nach dem anderen.«
»Dann gib ihm doch ein Kopfkissen.«
Ich verdrehe die Augen: »Du weiÃt doch, Till kann â¦Â«
»⦠auf normaler Bettwäsche nicht schlafen. Ich weiÃ. Irgendwie sieht er ja ganz süà aus.«
Ich schlieÃe die Wohnzimmertür.
»Komm, lass uns auf die Terrasse gehen. Ich glaube nicht, dass er es so toll findet, wenn er rauskriegt, dass du ihn in dem Zustand gesehen hast.«
»Also hör mal, ich habe ihn schon in ganz anderen Zuständen gesehen.« Vera grinst anzüglich.
Sie ist die einzige Frau, die ich kenne, die so anzüglich grinsen kann.
»Oh, bitte keine Details.«
Warum sind denn heute alle so auskunftsfreudig? Können die nicht mal was für sich behalten?
»Schade. Ich muss gestehen, ich kann über die Nacht mit Till nur Gutes berichten. Er ist ein toller Liebhaber. Das hat mich echt überrascht.«
»Tatsächlich? Bei seinem Lebenswandel würde ich sagen, er hat viel Ãbung. Ich habe langsam das Gefühl, dass diese Nacht etwas zwischen euch verändert hat.«
»So ein Quatsch. Es war schön, aber das war auch alles. Hat er selbst gesagt. Er wird weiter seine kleinen blonden Doppel-D-Praktikantinnen vögeln.«
»Na, ich weià nicht.«
»Ist doch klar, der Kater lässt das Mausen nicht.«
»Das klingt fast schon frustriert. Ich dachte, Till und du, ihr wart euch einig.«
»Vielleicht bin ich es einfach nur leid, ständig mit blutjungen Superweibern verglichen zu werden.«
»Verglichen oder abserviert? Den Vergleich brauchst du ja nun nicht zu scheuen.«
Vera ist eine tolle Frau. Sie ist groÃ, schlank, hat haselnussbraune, etwa kinnlange Locken, einen perfekten, leicht südländischen Teint und bernsteinbraun-grüne Augen.
»Ich hätte lieber nichts mit Till anfangen sollen. Aber hinterher ist man ja immer schlauer.«
Vera wirft einen misstrauischen Blick Richtung Wohnzimmer.
»Keine Sorge, er kann uns nicht hören. Der schläft wie ein Stein«, beruhige ich sie.
»WeiÃt du, ich bin mir nicht mehr so sicher, ob mich nur mein verletzter Stolz quält, oder ob ich vielleicht doch insgeheim auf der Suche nach dem Mann fürs Leben bin«, gibt sie zu.
Oje! Ich gehe in die Küche, hole eine beschlagene Flasche Prosecco aus dem Kühlschrank und lege vorsichtshalber gleich eine neue nach. Sind wir das nicht alle? Arbeit, Karriere, Freundinnen ⦠Alles gut und schön. Aber soll das alles gewesen sein? Da muss es doch noch etwas geben. Etwas, das unser Leben bereichert. Jemanden, mit dem wir unser ganzes Leben teilen können. Jemanden zum Altwerden.
»Tja, wo könntest du, beziehungsweise wir, unseren Traummann bloà finden?«, überlege ich laut, »in dieser Stadt scheint es keine verfügbaren Traumprinzen zu geben. Zumindest sind sie nie da, wo wir uns so herumtreiben.«
»Hmmm«, grübelt auch Vera, »wo findet Frau den Mann fürs Leben? Auf Fisch-sucht-Fahrrad- oder Hin-und-mit-Ã- 30 -Partys?«
»Auf keinen Fall. Wir haben immer noch unseren Stolz.«
»Eine Single-Börse im Internet?«
»Das hatte ich schon. Das kommt nicht mehr in Frage. Wir sollten den Traummann einfach auf uns zukommen lassen.«
Diese Ãberlegungen führen zu nichts. Wir sind jung. Wir haben unser ganzes Leben noch vor uns und wir sind definitiv noch nicht verzweifelt oder möchten uns das noch nicht eingestehen.
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