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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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stimmt sie. Mein Vater sieht grau im Gesicht aus, als ich mein Schreibzeug wegräume. Aus der Küche höre ich meine Mutter Möhren raspeln.
    Â»So langsam wird es was«, bemerkt er nach einem Räuspern und klopft mir auf die Schulter. »Wäre doch gelacht, wenn wir beide das nicht hinbekommen. Aber der Herr Brückner, mit dem bin ich noch nicht fertig. Der wird sich noch wünschen, nie geboren zu sein. Du willst also noch mal los?«
    Â»Ich habe Annika schon so oft vertröstet, weil ich lernen musste«, lüge ich. »Außerdem brauch ich frische Luft.«
    Â»Das ist mein Sohn. Wenn es draußen nicht so regnete, würde ich dir glatt raten, das Fahrrad zu nehmen, ein wenig Bewegung schadet nie und fegt dir den Kopf wieder frei. Aber wir wollen ja nicht, dass du wegen einer Erkältung flachliegst und zu viel Stoff versäumst.«
    Â»Schon gut.« Ich beeile mich, alles in meiner Schultasche zu verstauen. »Ich nehm das Auto und bleibe auch nicht lange.«
    Draußen halte ich mein Gesicht in den peitschenden Regen. Der Asphalt glänzt vor Nässe und ein schneidender Wind ist aufgekommen. Die Gärtnerei hat längst zu, bestimmt ist Delia schon weg, ich fühle vor Zorn das Blut in mir kochen, balle meine Hände zu Fäusten und möchte drauflos schlagen, irgendetwas, irgendjemanden, mich selbst, es ist ganz egal, ich will prügeln, prügeln, treten, könnte meinen eigenen Vater bis zur Besinnungslosigkeit schlagen, ihn am Kragen packen und schütteln, gegen die Wand schmettern, bis sein Gesicht nicht mehr vor lauter Verachtung verzerrt ist, sondern vor Angst, Furcht vor mir, vor meiner Kraft, gegen die er mit seinen elitären Sprüchen nicht ankämpfen kann. Aber ich bin nicht so, ich habe mich noch nie geprügelt, ich schreie meine Wut nur in die Nacht, schreie alles heraus, trete gegen einen x-beliebigen Baum am Straßenrand, trommle mit Fäusten gegen die zerfurchte Rinde, bis mir die Handkanten bluten, der Baum wehrt sich nicht und ist trotzdem stärker als ich, er bietet mir kein Gegenüber, aber umso unerbittlicheren Widerstand. Ich kann nur weiter gegen ihn schlagen und treten, tränenblind und schluchzend, bis ich schließlich entkräftet aufgebe und mich mit dem Rücken an ihn lehne, in die Knie sinke, an seinem Stamm hinunter rutsche, mit meinen Füßen im Matsch, vielleicht in Hundedreck, es ist mir egal, Delia wird schon weg sein, ich werde sie nicht sehen, alles nur wegen meines Vaters, ich komme nicht an gegen ihn, er wird mich immer beherrschen, immer.
    Völlig durchnässt rappele ich mich irgendwann hoch. Ich weiß nicht, wie lange ich an der Kastanie gelehnt habe. In meiner Hosentasche drückt der Autoschlüssel gegen meinen Oberschenkel und erinnert mich daran, was ich eigentlich vor hatte, ich ziehe ihn heraus, drücke auf die Fernbedienung und sinke in den Fahrersitz, zünde den Motor. Meine Hände zittern ein wenig von der Wut in mir, die noch nicht abgeebbt ist. Mit dem Auto gegen den Baum fahren. Nicht mehr da sein. Das Gaspedal durchtreten bis zum Anschlag, die Lichter der Stadt an mir vorbeifliegen lassen, hektisch, bunt, flirrend.
    Der Schein der Straßenlaternen reflektierte auf den CD-Hüllen, verfinge sich vielleicht in meinen Augen und dann würde der Bruchteil einer Sekunde genügen und ich käme von der Straße ab, überschlüge mich, bliebe irgendwo liegen wie ein vergessener Mistkäfer, der auf dem Rücken vergeblich strampelt, es ist vorbei, ich wüsste es genau, während Öl aus meinem Wagen sickerte und vielleicht bald in Flammen aufginge, und vielleicht würde ich noch schreien vor Schreck, vor Angst und Schmerz, während meine Haut anschmurgelte, die Haare, aber niemand könnte mich hören und ich wäre ohnehin nicht mehr zu retten. Die Hitze der Feuerglut würde mich verschlingen, bis der Schmerz irgendwann verginge und mein Körper nur noch eine verbrannte Hülle wäre, unwichtig, zu Abfall geworden. Vielleicht würde ich durch einen Tunnel gezogen, an dessen Ende jene überwältigend schöne weiße Helligkeit auf mich wartete, von der Menschen mit Nahtoderfahrungen so oft erzählen. Ein Licht mit einer Anziehungskraft, der man sich nicht entziehen kann, man ist dann schon drüben und will nicht mehr zurück, das ganze irdische Dasein erscheint einem unbedeutend, lächerlich im Vergleich. Das bisschen

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