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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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sie mich. »Auf den Hund passt heute meine Mutter auf. Wir haben nicht das allerbeste Verhältnis zueinander, aber den Hund liebt sie und er ist gern bei ihr.«
    Ich trinke einen Schluck Tee, spüre nach, wie er warm und wohlig meine Kehle hinunter rinnt. Dann, stockend zunächst noch, fange ich an. Fange an zu erzählen, wie gern ich zeichne und wie gut meine Bilder oft bei anderen ankommen. Erzähle von meinen Hassfächern in der Schule, von den Schwierigkeiten in Mathe. Von Herrn Brückner, der trotzdem immer zu mir hält und mein Lieblingslehrer ist. Und ich erzähle von meinem Vater, am meisten von ihm. Dass er Brückner eine Dienstaufsichtsbeschwerde anhängen will, statt wie er trotz allem an mich zu glauben und mit mir zusammen meinem Leben eine Richtung zu geben, in der ich auch vorkomme. Mein Vater merkt nicht einmal, was er allein mit seinem Vorhaben alles zerstört. In mir, in unserem Verhältnis zueinander. Es ist ein solcher Vertrauensbruch, so absurd.
    Delia hört mir zu. Unterbricht mich nicht, fragt nichts, lacht nicht über mich, nicht über meine Unfähigkeit, mich aufzulehnen. Sie ist einfach da und lässt mich reden.
    Inzwischen bin ich schon viel länger weg als die halbe Stunde, von der ich zu Hause geredet habe, aber es ist mir egal, es gibt kein Zuhause für mich außer diesem Raum hier, dieser kleinen, engen Abseite einer Gärtnerei, hier bei Delia, die mir fast unbekannt ist und doch so vertraut erscheint. Sie ist da für mich. Irgendwann bin ich fertig, leer geredet, erschöpft. Um mich herum ist alles ruhig. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen, ich könnte jetzt einschlafen wie ein Kind.
    Lange sitzen wir so da, dicht aneinander gelehnt, und schweigen. Ein wenig schäme ich mich, jetzt kommt es wieder zurück, dieses Gefühl, neben Delia wie ein kleiner Junge zu wirken, ich komme mir unbeholfen vor. So wichtig sind meine Probleme nicht, vielleicht hätte ich gar nichts sagen sollen. Ein Mädchen wie Delia steht vielleicht mehr auf Typen, die schon richtig im Leben stehen, arbeiten, etwas leisten. Ich habe sie lange genug belagert mit meinen Problemen, ich sollte gehen. Gleichzeitig möchte ich nirgendwo sein als nur hier, nur hier bei ihr.
    Â»Jetzt weißt du alles von mir«, sage ich schließlich. »Tut mir leid, dass ich dich mit meinem Kram behelligt habe. Sag’ ruhig, ich soll mich gegen meinen Vater durchsetzen, weil ich längst volljährig bin und es mein Leben ist, nicht seines. Und dass es behämmert ist, sich deswegen selber zu verletzen. Sag’s nur. Das bin ich gewohnt. Trotzdem kann ich es nicht.«
    Aber Delias Augen blicken mich noch immer warm an.
    Â»Quatsch«, sagt sie, lehnt sich zurück und schmiegt sich mit dem Kopf so eng an meine Schulter, dass ich ihr Shampoo riechen kann. »Du warst verzweifelt und bist durchgedreht, und das ist nur verständlich. Hauptsache, es bleibt dabei, dass du nur Bäume verprügelst.«
    Sie ahnt es nicht, denke ich erleichtert. Sie hat keine Vorstellung davon, dass ich den armen alten Baum nicht nur mit meinen Fäusten bearbeitet habe, sondern am liebsten dagegen gerast wäre. Gut so, gut. Niemand könnte das verstehen, vielleicht nicht einmal sie.
    Delia nimmt mir meine Teetasse weg und stellt sie auf den kleinen Tisch vor unseren Knien, greift nach meiner Hand und zieht mich hoch. »Komm, Max«, sagt sie, »ich zeig dir was.«
    Im nächsten Augenblick stehen wir vor der Pinnwand, die ich gestern schon wahrgenommen habe. Delia reißt eine alte Rechnung ab und deutet auf die Zeitungsausschnitte darunter. Todesanzeigen, sonntags erschienen. Jetzt erkenne ich, dass die ganze Pinnwand voll davon ist, und neben jeder Anzeige hängen Fotos von Kränzen und Blumengestecken, üppig geschmückt, mit Schleifen zum letzten Gruß, Unvergessen – deine Tanja lese ich; Ruhe sanft, in Liebe dein Mann Heinz und deine Kinder Robert und Marina, und auch: Kleines, wir sehen uns wieder. Deine Mami. Mir ist unbehaglich zumute und doch kann ich meinen Blick nicht davon abwenden, spüre Delias Körperwärme neben mir, höre sie atmen, Schulter an Schulter stehen wir und sind beide ganz still. So viele tote Menschen. Ich habe mir nie viele Gedanken über Beerdigungen gemacht, war auch fast noch nie auf einer, nur einmal mit zwölf oder dreizehn Jahren, als ein Großonkel gestorben war, den ich kaum

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