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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Erde, die paar Menschen, die man zu lieben geglaubt hat, Mutter, Vater, Geschwister, die große Liebe oder eben keine. Sie alle wären auf einmal so egal.
    Ich fahre los. Delia sehen. Wenigstens dort vorbeifahren, wo sie arbeitet, das Gelände sehen, auf dem sie heute wieder gewesen ist. Den Hauch ihrer Nähe spüren, zu wissen, sie war da und ist vielleicht noch nicht lange fort. Allein der Gedanke an sie richtet mich ein wenig auf.
    Im Ladenraum brennt noch Licht. Ich lenke meinen Wagen extra so, dass das Abblendlicht die Glasscheiben streift, so nimmt sie mich vielleicht wahr. Außer meinem parkt kein anderes Auto mehr im Hof, also bleibe ich einfach irgendwo stehen, steige aus und eile auf die Tür zu, natürlich ist sie abgeschlossen. Mit der flachen Hand schlage ich gegen das kalte Glas, rufe Delias Namen, muss aufpassen, dass ich mich beherrsche in meiner Verzweiflung, sie muss da sein, ich brauche sie. Mit den Händen bilde ich Scheuklappen um meine Augen und spähe ins Ladeninnere, tatsächlich, es bewegt sich etwas, der Streifenvorhang vor dem Hinterzimmer, in dem wir gestern nach dem Quittungsblock gesucht haben. Sie kommt. Delia trägt nicht ihre Arbeitsklamotten, sondern eine normale Jeans und eine schwarze Strickjacke über einem weinroten Top. Ihre kurzen Haare sehen geschickt frisiert aus, ein paar Strähnen sind wie zufällig ins Gesicht gezupft. Ihre Augen lächeln. Lächeln mich an. Sie schließt die Tür von innen auf. Ich bin zu Hause.
    Â»Max«, stößt sie hervor, als wir endlich voreinander stehen. »Was ist denn passiert, warum kommst du jetzt erst, wie siehst du aus … komm rein.« Sie zieht mich in den Laden und gleich weiter nach hinten, in dem kleinen Zimmer ist es warm, der Raum kommt mir geradezu überheizt vor, aber ich spüre, wie ich innerlich aufzutauen beginne. Wasser rinnt aus meinen Haaren in den Kragen. Delia nimmt meine Hand, ich zucke zusammen.
    Â»Hab ich dir wehgetan?«, fragt sie und sieht nach, mustert meine Hände, findet die aufgeschrammten Stellen.
    Â»Du blutest«, stellt sie fest und macht sich sofort an einem kleinen Medizinschränkchen zu schaffen, das an der Wand hängt, nimmt Mullbinden und Heftpflaster heraus, dazu eine kleine Glasflasche mit Jod.
    Â»So was haben wir immer hier«, erklärt sie, während sie mich mit einer Kopfbewegung auf das Cordsofa dirigiert. Mit geschickten Griffen desinfiziert und verbindet sie meine Hände, schnell und konzentriert, dann brüht sie für jeden von uns einen Becher Tee auf, allein schon der Duft beruhigt mich, der Duft und Delias sichere, geübte Bewegungen.
    Â»So«, sagt sie schließlich und setzt sich neben mich, nippt vorsichtig an ihrer Tasse, probiert, ob der Tee noch zu heiß zum Trinken ist, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. »Jetzt erzählst du mir mal, weshalb du so zerzaust aussiehst und verletzte Hände hast. Warum du so durchnässt bist, als wärst du kilometerweit durch den Regen gerannt, obwohl du mit dem Auto gekommen bist. Und warum du geheult hast.«
    Â»Das sieht man noch?« Mit dem Pulloverärmel wische ich mir über die Augen und ziehe ein wenig die Nase hoch. Meine triefende Jacke habe ich ausgezogen, Delia hat sie an den Fenstergriff gehängt, darunter bollert der Heizkörper – bis ich gehe, wird sie fast trocken sein. Es ist mir unangenehm, dass sie mich durchschaut hat, aber ich habe auch nichts getan, um meine Verzweiflung zu verbergen.
    Â»Ist doch keine Schande«, erwidert sie. »Ich mag Jungs, die Gefühle zeigen können. Was war los?«
    Ich lege die Hände fester um meinen Becher, alles hier ist so warm und tut so gut, ich will nie mehr hier weg. Gefühle zeigen.
    Ich blicke auf meine Oberschenkel und weiß nicht, wie ich beginnen soll. Delia wirkt so lebendig, so tatkräftig, steht schon mitten im Leben, ihrem eigenen, an dem sie Spaß hat, ist nicht am Schulstress zugrunde gegangen. Was muss sie von mir denken, wenn ich ihr jetzt erzähle, dass ich eben noch auf eine Jahrzehnte alte, mächtige Kastanie oder Eiche eingeprügelt habe und mir nichts sehnlicher gewünscht habe, als an ihrem Stamm zu zerschellen. Ich weiß nicht, ob ich ihr sagen kann, warum. Eigentlich habe ich das Gefühl, ich könnte ihr alles sagen.
    Â»Musst du noch nicht gehen?«, frage ich zögernd. Sie schüttelt den Kopf.
    Â»Erzähl ruhig«, ermutigt

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