Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
Vom Netzwerk:
sicher noch zu lernen, wie? Aber lass nur, das härtet ab. Später im Berufsleben gibt es auch kaum noch ein richtiges Wochenende. Hast du zu Montag noch viel an Hausaufgaben auf?«
    Montag gehe ich gar nicht hin, denke ich, aber das weißt du nicht. Und ein Berufsleben ohne richtiges Wochenende, nur um dem Geld nachzujagen – nein. Nicht mit mir.
    Â»Paul hat mir Mathe erklärt«, berichte ich deshalb. »Ich schau mir das noch mal an, ich glaube, da ist jetzt der Knoten geplatzt. Und für Deutsch muss ich was lesen, Irrungen, Wirrungen von Fontane. Darüber schreiben wir die nächste Klausur.«
    Â»Ein großartiges Werk«, sagt mein Vater. »Dann streng dich mal an. Wenn du Fragen hast – ich sitze bis abends an meinem Schreibtisch.«
    Â»Danke.« Ich richte meinen Blick auf die Straße, genau wie er. Dann nicht, denke ich trotzig. Dann eben nicht, wenn nur Leistung zählt und für dich nichts anderes als meine Hausaufgaben interessant sind. Ich bin nicht der Einzige von uns beiden, der soeben eine Chance verpasst hat. Eine, die sich so schnell nicht wieder bieten wird. Ich bin wieder auf mich gestellt. Wenn ich Fragen an ihn habe, sollen die sich bitte nur auf den Lernstoff beziehen, nicht auf Persönliches. Nicht auf das, was wirklich in mir vorgeht, oder sogar in ihm. Dann eben nicht.
    14.
    Als ich am Montag ins Foyer der Fachoberschule trete, hämmert mein Herz hart gegen meine Brust. Ich habe morgens im Sekretariat meiner eigenen Schule angerufen und mich krankgemeldet, Annika eine SMS mit derselben Lüge geschickt, ebenso Paul. Natalie und ich haben abgesprochen, dass sie etwas von Brechdurchfall erzählt, falls einer fragt. So was geht schnell vorbei und ich kann morgen problemlos wieder hingehen. Meine Eltern haben zum Glück nichts gemerkt, weil ich zur selben Zeit das Haus verlassen habe wie immer, um fünfzehn Minuten nach sieben.
    Und jetzt will ich nicht an zu Hause denken und nicht an meine alte Schule. Alte Schule, das denke ich jetzt wirklich, so als gehöre ich schon hierher, in die Roy-Lichtenstein-Fachoberschule für Gestaltung. Schon das lang gestreckte Gebäude bildet einen starken Kontrast zu meiner alten Lernstätte. Erst dieses Mal nehme ich mir ein paar Atemzüge lang Zeit, alles auf mich wirken zu lassen. Während wir in einem imposanten Altbau des Jahres 1910 büffeln, bin ich hier geradezu geblendet von der Helligkeit, die mich umfängt. Die Wände sind fast bis zum Boden verglast; beim Vorbeigehen an einem offenen Unterrichtsraum bemerke ich, dass sogar Oberlichter in die Decke eingelassen sind. Nach den langen Regentagen scheint heute die Sonne und wärmt mein Gesicht und meinen Nacken, ich spüre, wie ich innerlich auftaue. Hier fühle ich mich sofort wohl, die Architektur des Baus verrät, hier wird Wert auf Kunst gelegt, hier wird die Begabung der Schüler nicht belächelt, sondern gezielt gefördert, hat eine Bedeutung, von der man am normalen Gymnasium nur träumen kann. Überall sind Schülerarbeiten ausgehängt, professionell mit Bilderleuchten und Leisten wie in einer Galerie. Auch bildhauerische Arbeiten und Fotografien sind ausgestellt, immer mit dem Namen des Künstlers oder der Künstlerin daneben. Die Vorstellung, bald selbst hier zu sein und eigene Arbeiten präsentieren zu dürfen, lässt mich beinahe schwindlig werden vor Glück. Ich will hier hin, ich will unbedingt!
    In der Mitte des großzügigen Foyers bleibe ich stehen, weil ich auf einer Tafel ein Schild entdeckt habe: »Für die Aufnahmeprüfung bitte im Sekretariat 1. Etage melden«, steht darauf. Das Sekretariat kenne ich ja bereits, nenne der Sekretärin, einer Mittvierzigerin im teuren Schlabberlook meinen Namen und dass ich auf Empfehlung meines Tutors komme, der mit Herrn Perlitz bekannt sei.
    Â»Für das Bestehen der Prüfung spielt das keine Rolle«, informiert sie mich und sieht mich über ihren Brillenrand hinweg an. »Wir haben fünfzig Plätze für das kommende Schuljahr zu vergeben, aber mehr als dreihundert Bewerber. Also zählt allein das Ergebnis der Aufnahmeprüfung. Die Hürde des bisherigen Notendurchschnitts haben Sie ja bereits genommen, sonst wären Sie nicht eingeladen worden.«
    Â»Es geht nicht ums nächste Schuljahr«, stammele ich und spüre, dass ich rot werde. »Ich bin schon in der zwölften Klasse, und mein Tutor hat mit

Weitere Kostenlose Bücher