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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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wir über den Hefter gebeugt, jeder von uns mit einem doppelten Cappuccino vor sich. Paul redet über Stochastik und Fakultäten, kritzelt eifrig Zahlen, Buchstaben und Ausrufezeichen in Kästchen, redet schnell, sieht mich ab und zu an, ohne wirklich abzuwarten, ob ich ihm folgen kann, schreibt weiter, rechnet, streicht durch, fragt mich etwas. Brückner ist krank, er sah letztens schon so mitgenommen aus, als er mir von der Fachoberschule erzählte. Aber ausgerechnet jetzt, wo ich die Aufnahmeprüfung vor mir habe – ich wollte ihm doch davon erzählen. Paul fragt erneut, ich habe nicht zugehört, er fragt noch einmal. Am Montag ist die Aufnahmeprüfung, hoffentlich ist Brückner dann am Dienstag wieder da. Auf jeden Fall soll er da sein, wenn ich die Nachricht erhalte, ob ich angenommen worden bin.
    Â»Wo hast du denn deinen Kopf?«, fragt Paul plötzlich und boxt gegen meinen Oberarm. »Ich rede und rede hier und du glotzt aus dem Fenster! Wenn du keine Lust hast, kann ich meine Freistunde auch anders verbringen, klar? Ich wollte eigentlich noch in die Bücherei, das hab ich dir zuliebe jetzt sausen lassen.«
    Â»Sorry.« Ich schüttle meinen Kopf wie ein nasser Hund, als könnte ich damit meine Gedanken aus dem Kopf vertreiben, sehe ihn an, Paul hat die Augenbrauen zusammengezogen und sein Mund ist verzerrt, seine Miene erinnert mich an meinen Vater. Paul ist mein Freund, vielleicht sollte ich ihn einweihen. Nicht das von der Fachoberschule für Gestaltung, noch nicht, er würde es nicht verstehen. Jemand wie Paul will Banker werden, irgendeine Art von Manager, ähnlich wie mein Vater, der Salesmanager bei einer großen Computerfirma ist. Paul will ein Hochschulstudium mit Bestleistungen abschließen, und das in kürzester Zeit. Aber ich könnte mit ihm über Delia reden. Ich weiß nicht, ob es ein Fehler wäre.
    Â»Tut mir wirklich leid, Paul«, sage ich also. »Ich bin nicht ganz bei der Sache.«
    Â»Stress mit Annika?«, hakt er nach. »Sie kann ja manchmal eine kleine Zicke sein. Aber eine Süße, nimm ihre Launen einfach nicht so ernst.«
    Â»Es geht nicht um Annika«, murmele ich. »Oder doch … ich weiß nicht. Ich bin einfach ein bisschen durch den Wind, ist nix Besonderes.«
    Aber Paul legt den Stift hin.
    Â»Das merk ich doch«, sagt er. »Und nicht erst heute, ich bin nicht blöd. Erzähl mal, was los ist, komm. Mir kannst du sowieso nichts vormachen, dazu kennen wir uns viel zu lange.«
    Also beginne ich, vorsichtig von Delia zu erzählen. Wie ich sie kennengelernt habe und was ich so an ihr mag. Ihre überstandene Krankheit lasse ich weg, das geht Paul nichts an. Die meiste Zeit, während ich rede, blicke ich auf meine Hände, knicke Eselsohren in meinen Mathehefter, zerre eine eingerissene Stelle im Buchumschlag weiter auf. Ab und zu huscht mein Blick über sein Gesicht, Pauls Mimik verrät eine Mischung aus Unverständnis und Faszination. Als ich fertig bin, bläst er Luft aus seinen Backen.
    Â»Eine andere Braut«, fasst er zusammen. »Wie alt ist sie, sagst du? Schon über zwanzig?«
    Â»Im August wird sie zweiundzwanzig.«
    Paul pfeift leise durch die Zähne, sieht mich an, als nehme er mich zum ersten Mal bewusst wahr. Der kleine Max hat sich eine Ältere geangelt, sieh mal einer an. Das muss man erst mal schaffen. Nicht schlecht, der Junge.
    Aber dann rückt er sein Gesicht wieder zurecht.
    Â»Du meinst ernsthaft, sie steht auf dich?«
    Die Art, wie er diese Bemerkung in der Luft hängen lässt, ärgert mich, sie klingt so, als ab das vollkommen abwegig wäre.
    Â»Steht auf mich ist noch untertrieben«, bekräftige ich also und straffe ein wenig meine Brust. Delias Berührung, ihre Küsse. Ihre Augen. Wenn er nur wüsste.
    Paul klickt immerfort auf den Drücker seines Kugelschreibers, kritzelt undefinierbare Striche aufs Papier.
    Â»Mag ja sein«, sagt er. »Aber wie soll es jetzt weitergehen, hast du dir das mal überlegt? Mit so einer Frau … entschuldige, Kleiner, aber ich stelle mir gerade die Erdklumpen unter ihren Fingernägeln vor … in unseren Kreisen, alles angehende Wirtschafts- und Medienstudenten. Angehende Ärzte und Juristen. Meinst du ernsthaft, da passt sie hin? Ganz abgesehen davon, dass du gerade so richtig deine Freundin bescheißt. Du musst dich entscheiden, Mann, du kannst nur eine Puppe

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