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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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weiterleben wollte, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, ihn nicht wirklich zu erreichen. Er beneidete mich um meinen unbedingten Willen zu leben, aber er konnte ihn noch nicht teilen. Wenigstens für ein paar Stunden lang war er heute glücklich. Vielleicht schaffe ich es mit meiner Liebe, dass er diesen blöden Sog vergisst, den der Tod offenbar auf ihn ausübt.
    25. April
    Ich glaube, unser »erstes Mal« gestern hat Max Kraft gegeben. Heute hat er mir erzählt, dass er ganz neue Pläne habe. Max will nicht mehr sein Abi am Gymnasium machen, sondern an eine Fachoberschule für Gestaltung wechseln, um aus seinem künstlerischen Talent mehr zu machen. Sein Lieblingslehrer hat ihm den Kontakt vermittelt. Auf einmal hat Max so viele Träume. Es gibt ja auch unendlich viele Möglichkeiten, einen kreativen Beruf zu ergreifen. Grafikdesigner zum Beispiel, aber noch lieber würde Max später Kinderbücher illustrieren. Es wäre so traumhaft, wenn er das schaffen würde. Unsere Liebe und dazu sein Traumberuf, dann könnte alles gut werden. Dann müsste Max sich nicht mehr nach dem Tod sehnen, sondern würde leben wollen, so intensiv wie ich, wir beide würden jeden Tag auskosten wollen, ihn wie Champagner genießen. Sein Anmeldeformular hat er schon losgeschickt, jetzt fiebert er natürlich der Antwort entgegen, in der ein Termin zum Vorzeichnen stehen wird. Ich fiebere mit ihm.
    Sorgen macht mir nur eines: Max hat sich dort heimlich beworben, also ohne seiner Familie etwas davon zu sagen. Ich darf gar nicht daran denken, weil mich dann sofort ein ungutes Gefühl beschleicht. Ich finde, er macht einen Fehler, er sollte mit seinen Eltern reden. Vielleicht zuerst mit seiner Mutter, die er immer als verständnisvoll und sanft beschreibt. Sie muss sich doch mal durchsetzen gegen ihren Mann, dieser Macho kann doch nicht Max’ Leben zerstören, nur weil er sich einbildet, Max wäre hochbegabt und die Lehrer an seiner Schule alle unterbelichtet!
    Aber davon will Max nichts hören. Er blockt sofort ab, wenn ich dieses Thema anspreche, und meint, wahrscheinlich werde er sowieso nicht an der Fachoberschule angenommen, weil die anderen Bewerber bestimmt noch viel talentierter seien als er. Hoffentlich geht das alles gut. Hoffentlich, hoffentlich.
    28. April
    Heute fühlt sich alles schwer an. Es ist Sonntag, und schon das ganze Wochenende bin ich allein. Max muss für die Schule lernen, für die schriftlichen und mündlichen Prüfungen, die bei ihm unmittelbar bevorstehen. Das verstehe ich ja, aber seit wir uns kennen, haben wir noch nicht einen einzigen Tag an einem Wochenende miteinander verbracht, nicht einmal einen Abend. Ich würde so gern einmal mit ihm ins Kino gehen, der neue Film mit Kate Winslet soll so toll sein, oder zur Langen Nacht der Museen, oder einfach eng umschlungen an einem See im Mondschein spazieren gehen, ganz normale Dinge tun, die andere Paare auch machen. Die Abende sind jetzt schon milder, von Tag zu Tag ist es draußen länger hell. Wir könnten so viele tolle Sachen machen, auch mal was Verrücktes. Mitten in der Nacht an die Ostsee fahren, auf einem Rummel in die Geisterbahn steigen, zum Frühstück irgendwo picknicken. Ich verdränge den Gedanken daran, dass Dario und ich in unserer Anfangszeit so was alles gemacht haben. Das ging mit ihm, spontan und unternehmungslustig war er auf jeden Fall. Dario wollte das Leben in sich aufsaugen, jede Facette davon genießen, deshalb hat er mich anfangs auch magisch angezogen. Aber mit Max stelle ich mir das alles noch viel traumhafter vor, weil zwischen uns eben auch diese tiefe Nähe besteht, die tollen Gespräche, diese besondere Vertrautheit, die vom ersten Augenblick an da war.
    Aber Max kommt immer nur in den Laden, ackert sich einen Wolf mit den Blumen und allem, was es sonst noch zu stemmen gibt, und will jedes Mal wissen, ob ich wieder neue Traueranzeigen und Gräberfotos in meinem Ordner habe. Wenn wir Ladenschluss haben, ist es noch nicht zu spät, um etwas zu unternehmen. Max könnte bei mir übernachten, zumindest am Wochenende, aber wann immer ich das vorschlage, weicht er aus und sagt, er müsse nach Hause. Mich macht das traurig, aber ich will ihn nicht drängen. Wir sind erst ganz kurz zusammen, da erwarte ich noch gar nicht, dass er mich jetzt schon seinen Eltern vorstellt, mir wäre das auch zu spießig. Aber warum wirkt er immer so

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