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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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nur?

    11. Mai
    Er kommt nicht mehr so oft in die Gärtnerei. Letzte Woche war er nur zwei Mal da, und er hat nicht versucht, das geplatzte Date nachzuholen. Drauf angesprochen habe ich ihn noch nicht, aber ich beobachte ihn. Glücklich wirkt er nicht. Wenn er da ist, redet er fast pausenlos von der Schule, er leidet total darunter, dass sein Lieblingslehrer so krank ist, dass er nicht mal zur Abiturprüfung anwesend sein wird. Die ganze Zeit wird mit Vertretungslehrern geflickschustert, und irgendwie versuchen alle, sich trotzdem auf die Prüfungen vorzubereiten. Max hat fast immer Kopfschmerzen. Ich kann ihm jetzt nicht noch zusätzlichen Stress bereiten, indem ich ihm Vorwürfe Annikas wegen mache. Noch hoffe ich, dass sich alles irgendwie von selbst regelt. Aber ist das überhaupt möglich?
    13. Mai
    Max muss lernen. Paula und ich gehen zu einer Demo, wo ich ihn und seine Annika garantiert nicht treffe. Es wird mir guttun, meinen Frust herauszuschreien, auch wenn dies sich eigentlich gegen die Regierung richten soll statt gegen meinen Freund. Merkt ja keiner. Vielleicht werfe ich sogar einen Stein gegen irgendein blödes Gitterfenster. Mir geht das Bild von den beiden nicht mehr aus dem Kopf. Kandierte Küsse.
    16. Mai
    Der Chef hat gemerkt, was los ist. Er ist so cool drauf, ich bin ihm so dankbar. Hat keine Fragen gestellt, sondern schickt mich jetzt einfach häufiger zum Friedhof, die Gräber pflegen, die uns in Auftrag gegeben worden sind. Das hilft mir ungemein. Ich liebe die Stille dort und die Beschäftigung mit den Blumen, die eine ganz andere ist als in der Gärtnerei. Ich kann mehr gestalten, auf den Gräbern Beete anlegen, meinen Gedanken nachgehen. Ich muss viel darüber nachdenken, wie es wohl ist, wenn man stirbt und vielleicht jemanden zurücklässt, den manliebt und mit dem man vorher irgendwie nicht im Reinen war. Wenn man zerstritten ist und alles noch ungeklärt ist in dem Moment, wo einer von beiden für immer geht. Oder auch, wenn gerade alles ganz toll ist und dann einer stirbt, an einem Unfall zum Beispiel. Ein Knall, und weg ist der Mensch, mit dem du dein Leben teilen wolltest. Wie schrecklich muss das sein! Eigentlich sollte man nie unversöhnt auseinandergehen, das kann doch nicht so schwer sein.
    Ich sammle auch wieder Traueranzeigen und fotografiere frische Gräber. Heute zum Beispiel. Ich sollte das frische Grab einer alten Dame neu arrangieren, vier Euro konnte ihr Witwer uns nur dafür zahlen, er selber ist schon zu schwach, um sich selbst um das Grab zu kümmern. »Meine Liesel«, hat er immer wieder gesagt; »sie wartet da oben jetzt auf mich. Lange kann es ja nicht mehr dauern, dann sehen wir uns wieder. Versprechen Sie mir, junge Frau, dass Sie ihr bis dahin mit den Blumen jeden Tag zeigen, wie sehr ich meine Liesel liebe?«
    Ich habe es ihm versprochen und mich richtig ins Zeug gelegt. Mir selbst hat es gutgetan, einen schönen Frühlingsstrauß für Liesel zusammenzustellen. Ich habe die Augen geschlossen und mir vorgestellt, wie sie wohl ausgesehen haben mag. Das Lied »Ende Dezember« von Annett Louisan fiel mir dazu ein, der Text ist einfach zu schön:
    Er sitzt allein, so wie fast jeden Tag,
    auf ihrer Bank an der Wiese im Park.
    Augen wie Stahl und noch kein graues Haar.
    Er blickt mich an
    und erzählt mir von ihr.
    Er sagt: Neulich saß sie noch hier.
    Ging so schnell, wir haben´s nicht mal geahnt,
    noch so vieles geplant,
    dann bricht er ab und weint.
    Für mich ist es Ende Dezember
    uns’re Tage waren alle gezählt
    und ich hab an so vielen von ihnen gefehlt.
    Versäum keine Blüte im Frühling
    und feier sie ganz unbeirrt,
    denn das Leben geht gnadenlos weiter
    auch wenn deine Freude daran stirbt.
    So viel storniert und auf morgen vertagt,
    so viel gedacht und so wenig gesagt,
    so viel verschenkt, an den Nagel gehängt.
    Er blickt mich an
    und er sagt: Nimm dir Zeit,
    solang dir welche bleibt,
    ganz egal,
    wozu du dich entschließt:
    wer das Leben genießt,
    der kann kein Versager sein.
    Die Zeile »Augen wie Stahl« regte mich dazu an, mir Liesels Augen wie Kornblumen vorzustellen, also wählte ich sie aus und arrangierte damit ein zartes Gesteck in Verbindung mit Maiglöckchen und Freesien, die wirken so fröhlich; in die Mitte steckte ich eine prachtvolle dunkelrote Rose als Zeichen der ewigen Liebe ihres Mannes. Auf dem Grab stellte ich das Gesteck in eine

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