Dann mach ich eben Schluss
wissen, dass sie uns auf diese billige Art nicht kleinkriegen.«
Wenig später sind die Wände der Schule wieder frei. Als Bollschweiler am darauffolgenden Tag den Kursraum betritt, leuchtet das Bild erneut vom Smartboard, doch dieses Mal schlieÃt er das Fenster gleich.
»Kleiner Test zur Ãberprüfung Ihrer Kenntnisse aus dem zu Ende gehenden Schuljahr«, verkündet er und wandert mit gelassenen Schritten durch den Raum, um Arbeitsblätter zu verteilen, immer auf eine aufrechte Körperhaltung achtend. »Die Punktzahl, die Sie erreichen, geht in Ihre mündliche Note ein. Strengen Sie sich also an, dann haben Sie nichts zu befürchten.«
»Die Zensuren stehen doch schon fest«, bemerkt Torben, der noch nicht einmal seine Schlamperrolle aus dem Rucksack geholt hat. »In knapp zwei Wochen fangen die Sommerferien an.«
Bollschweiler bleibt stehen und lächelt ihm zu.
»Deshalb gelten sie für das kommende Schuljahr«, kontert er. »Ich erzähle Ihnen nichts Neues, wenn ich Sie darauf hinweise, dass Sie sich dann im Abschlussjahrgang befinden. Durch die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre haben Sie die Chance, schon im kommenden Sommer das Abitur zu bestehen. Ob es so sein wird, hängt allein von Ihnen und Ihrem Leistungswillen ab.«
Er lässt seinen Blick über die Jugendlichen schweifen, bemüht, mit keiner noch so winzigen Geste zu verraten, wie es in ihm aussieht. Wie nervös er noch immer ist, auf der Hut, darauf gefasst, dass jeden Augenblick wieder irgendetwas geschieht, eine Störung, ein Angriff, der ihm jegliche Grundlage seiner Handlungsmöglichkeiten entzieht. Sein Blick fällt erneut auf Torben, der sich im Raum umsieht, noch immer bereit zu rebellieren, sich gemeinsam mit den anderen gegen den verhassten Lehrer aufzulehnen. Die meisten anderen jedoch beugen sich bereits über ihre Blätter, es herrscht eine eigenartige Stimmung im Raum, viele sind in Schwarz gekleidet und noch ebenso stumm wie gestern, vor allem die Mädchen. Jemand hat »R.I.P. Max« mit flüssiger Kreide an eines der Fenster geschrieben.
Johanna zieht die Verschlusskappe von ihrem Füller und blickt hinüber zu Torben, der finster auf die Tischplatte vor ihm starrt.
»Komm, schreib«, flüstert sie. »Das hat doch alles keinen Sinn.«
Noch einmal lässt Torben seine Muskeln spielen, strafft die Brust, sodass sich sein enges Shirt straff darüber spannt. Dabei sieht er Bollschweiler an mit einem Blick, der sagt: Wir sind noch nicht miteinander fertig. Glaub nur nicht, dass du einen von uns in den Selbstmord treiben kannst, ohne dass du dafür büÃen musst. Bollschweiler hält seinem Blick stand. Torben langt zu Johanna hinüber, um sich einen Fineliner zu leihen, ohne ihn aus den Augen zu lassen, seine Augen verengen sich zu dunklen Schlitzen.
Aber dann schüttelt er fast unmerklich den Kopf und schreibt seinen Namen auf die vorgegebene Linie des Aufgabenblatts.
3.
Am Tag der Beisetzung Maximilians hält Werner Brückner vergeblich Aussschau nach Bollschweiler.
»Er ist in der Schule geblieben«, klärt ihn Irina Melberg auf, während sie vor der Kapelle des Friedhofs warten. »Es gehen auch nicht alle Schüler mit, deshalb gilt für heute eine Art Notplan. Gaedicke hat es so angeordnet, dass nur die Kollegen hingehen, die Max über längere Zeit unterrichtet haben. Er schien nicht böse darüber zu sein, hier nicht auftauchen zu müssen. Die letzten Tage waren nicht leicht für ihn.«
»Haben die Schüler sich aufgelehnt?«
Irina erzählt ihm von der Zeichnung, die überall im Schulgebäude aushing. »Nachdem es entfernt wurde, lief aber alles rasch wieder seinen gewohnten Gang«, schlieÃt sie ihren Bericht. »Er hat Max nicht umgebracht, und die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang. Bei einem Suizid kommen immer verschiedene Faktoren zusammen, das wissen letztlich auch die Schüler. Und unsere obere Etage würde nie zulassen, dass über längere Zeit eine Stimmung des Aufruhrs besteht.«
»Bollschweiler wird also bleiben?«
»Solange du nicht da bist, auf jeden Fall. Aber mach dich deswegen nicht verrückt. Wichtig ist jetzt vor allem, dass du wieder ganz gesund wirst.«
»Wichtiger als unsere Schüler ist das nicht«, meint Brückner. »Ihre Zukunft liegt noch vor ihnen, deshalb ist sie aber auch
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