Dann mach ich eben Schluss
habe manches Mal Rückschläge einstecken müssen. Aber ich weigere mich zu glauben, dass unser Sohn deshalb nicht mehr leben wollte.«
»Muss ja auch gar nicht sein.« Corinna lehnt ihren Kopf an seine Schulter. »Es war nur so ein Gedanke. Aber vielleicht haben wir zu viel von ihm verlangt. Kein Mensch kann immer nur Höchstleistungen vollbringen, man muss sich auch mal entspannen dürfen.«
»Das hat er mehr als genug getan. Bevor ich ihn neulich mal ernsthaft ins Gebet genommen habe, hat er sich doch eine Zeit lang kaum zu Hause blicken lassen.«
»Das ist mir auch aufgefallen. Aber ich wollte nicht bohren.«
»Spätestens da muss er in der Schule so abgerutscht sein. Bestimmt ist er in schlechten Einfluss geraten. Manchmal muss man eben doch nachhaken; wer weiÃ, wo und mit wem er sich herumgetrieben hat.«
»Max ist volljährig.«
» War «, korrigiert Matthias, in seiner Stimme schwingt Ungeduld mit. »Er war volljährig. So traurig es auch ist, Liebes.«
Corinna bricht in Tränen aus, das Weinen schüttelt sie, doch als ihr Mann sie in den Arm nehmen will, rückt sie von ihm ab; er muss nicht immer betonen, dass Max für immer fort ist, sie weià es auch so. Es ist alles noch so frisch.
»Glaubst du, Natalie weià mehr?«, fragt Matthias, nachdem sie sich wieder ein wenig gefangen hat.
»Wir können sie damit jetzt nicht belasten«, wehrt Corinna ab. »Das Kind muss erst mal gesund werden und alles verarbeiten. Wenn ich daran denke, wie viel Glück sie gehabt hat â¦Â«
»Wenn es ihr besser geht, finden wir vielleicht etwas heraus«, beharrt Matthias dennoch. »Die Frage ist nur, ob sie uns mit ihrer renitenten Art etwas erzählen wird.«
»Sie ist nicht renitent«, widerspricht Corinna. »Matthias, du musst deinen Blick mal ein bisschen von dir selbst abwenden. Sieh dich doch um unter den Jugendlichen; viele experimentieren mit ihrem ÃuÃeren herum, das gehört doch zur Selbstfindung dazu. Nur weil Natalie gerne Schwarz und diesen Nietenlook trägt, ist sie nicht gleich eine Rebellin.«
»So habe ich sie aber oft genug erlebt. Natalie findet doch immer Widerworte, egal was ich von ihr will.«
»Auf mich reagiert sie anders, und Max ebenso. Man muss doch mit seinen Kindern in Kontakt bleiben, es läuft nicht alles nur mit Härte.«
»Mit deinem Kräuterzauber bist du auch nicht weitergekommen.«
»Es geht nicht um die Kräuter, Matthias, es geht um Nähe! Schaden kann es nicht, und Max hat die Bachblüten wenigstens nicht abgelehnt. Ich weià wirklich nicht, warum du so mauerst und immer noch darauf beharrst, mit Disziplin und eiserner Strebsamkeit hätte Max alles erreichen können. Schlimmer als es gekommen ist, geht es doch gar nicht. Trauerst du denn überhaupt nicht um unser Kind?«
Im Dunkeln greift er nach ihrer Hand.
»Natürlich trauere ich«, versichert er, und jetzt hört Corinna doch an der Stimme ihres Mannes, dass er mit einem Kloà im Hals kämpft. »Ich hab es doch gut gemeint, auf keinen Fall wollte ich ihn quälen.«
»Er war doch unser Baby«, schluchzt sie. »Mein allererstes Baby, das ich mir so gewünscht habe. Und jetzt liegt er schon irgendwo weit weg von uns, kalt, tot und ganz allein. Ich will morgen früh aufwachen und alles nur geträumt haben, verdammt!«
Sie weinen beide, Matthias lautlos, Corinna wimmernd, verzweifelt. Irgendwann ebben ihre Schluchzer ab.
»Versuch noch ein bisschen zu schlafen«, flüstert er schlieÃlich. Irgendwann schlummert Corinna ein; Matthias jedoch ist hellwach. Eine gute halbe Stunde lang wälzt er sich im Bett, ohne Ruhe zu finden, dann steht er auf. Ein Bier könnte helfen, überlegt er und geht in die Küche, um sich eine Flasche zu öffnen. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nimmt er kein Glas aus dem Schrank, sondern trinkt aus der Flasche, bereits nach wenigen Schlucken spürt er, wie sich die beruhigende Wirkung von Hopfen und Alkohol in seinem Körper ausbreitet. Dennoch hat er das Gefühl, die ganz Nacht nicht schlafen zu können und wandert, die Bierflasche in der Hand, durch die Wohnung, von der Küche durch den Korridor ins Wohnzimmer, wieder zurück, nähert sich Maximilians verlassenem Zimmer und wirft einen Blick hinein, schiebt die Tür auf und betritt den Raum.
Was hast du nur getan, Max, denkt er; wie
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