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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Schmutzwäsche ein, vom Fußende seines Bettes, vom Boden, von seinem Drehstuhl vor dem Schreibtisch. Zieht seine Bettdecke glatt, schüttelt sein Kissen auf. Stellt seine Sneakers parallel zueinander neben seinen Kleiderschrank, ordnet seinen Schreibtisch, das alles verleiht ihr die Illusion, er könnte jederzeit wiederkommen und würde seine Sachen noch finden.
    Später wäscht sie seine Wäsche, hängt sie auf, legt sie zusammen, sobald sie getrocknet ist. Stutzt, als sie sie in den Schrank legen will, es passt nicht mehr, Max wird sie nicht mehr entnehmen. Also holt Corinna einen Plastiksack aus dem Besenschrank in der Küche und legt die frisch gewaschenen Sachen hinein, sucht nach einigem Zögern weitere Kleidungsstücke aus dem Schrank, die ihm nicht mehr passen, hält inne.
    Sein Rucksack, den er für die Schule benutzt hat, steht auf dem Boden neben dem Schreibtisch. Max wird nicht mehr hingehen, aber vielleicht findet sie darin etwas, das ihr weiterhilft. Sie nimmt seine Schlamperrolle heraus und lächelt vor sich hin, genau so sah ihre in den Oberstufenjahrgängen auch aus, cognacfarbenes Leder und über und über mit den Namen der Mitschüler bekritzelt. Sie dreht die Rolle in ihrer Hand und betrachtet sie von allen Seiten, nicht alle Namen darauf kennt sie, auch Bands sind darunter, ebenso die Initialen D.G. und der Name Roy Lichtenstein.
    Roy Lichtenstein. So hieß die Schule, an der sich Max heimlich beworben hat, um ein Jahr zu wiederholen und den Leistungskurs zu wechseln. Eine Postkarte mit einem Werk jenes Künstlers hängt als Poster an der Pinnwand über seinem Schreibtisch, Corinna hat sie nie bewusst wahrgenommen, für sie war es immer nur ein poppiges Bild gewesen, dem sie keine besondere Bedeutung beigemessen hat. Sie hätte es besser wissen müssen.
    Das Gespräch ihm Wohnzimmer damals, als alles herauskam. Matthias’ unerbittliche Härte, sein unverhohlener Ausdruck von Enttäuschung. Max war völlig außer sich gewesen, hatte sich verteidigt, versucht zu argumentieren, Matthias jedoch hat nichts gelten lassen.
    Â»Du warst doch selbst nicht begeistert von seiner Idee«, rechtfertigt er sich, als sie ihn in einer weiteren Nacht darauf anspricht, als sie erneut wach liegen. »Sind wir uns nicht darüber einig gewesen, dass er einmal in meine Fußstapfen treten oder zumindest eine vergleichbare Laufbahn einschlagen soll? Die Zukunft gehört den elektronischen Medien, nicht dem Pinsel und der Staffelei.«
    Â»Was heißt Zukunft, Matthias? Jetzt hat er keine mehr, weil sein Leben zu Ende ist, bevor es überhaupt richtig begonnen hat!«
    Matthias schweigt lange. Corinna spürt, wie es in ihm arbeitet; natürlich hat er den Tod seines Sohnes nicht gewollt. Aber wann knickt er endlich ein?, fragt sie sich. Wann kann er sich endlich eingestehen, dass er mit seiner Sturheit und der Härte anderen gegenüber nicht weiterkommt? Dass seine Meinung nicht die allgemein gültige sein kann, sondern er auch Freiraum zu eigenen Entscheidungen lassen muss, gerade seinen Kindern?
    Seinem Kind. Jetzt ist nur noch Natalie da, die sich zum Glück zu wehren weiß. Max konnte das nicht. Hätte ich Matthias verloren, wenn ich eine klare Position bezogen und zu ihm gehalten hätte? Wäre Max dann noch da, meine Ehe jedoch kaputt?
    Â»Sollte Maximilian wirklich – und das weigere ich mich nach wie vor zu glauben – Suizid begangen haben, dann ist einzig und allein dieser Brückner schuld. Er hat ihm Flausen ins Ohr gesetzt. Ich habe nur versucht, meiner Verantwortung als Vater gerecht zu werden, indem ich ihm diesen Unsinn durch sinnvolle Argumente ausgetrieben habe.«
    Â»Aber Max wirkte unglücklich dabei.«
    Â»Ein Kind, dem man seinen Lolli wegnimmt, ist auch unglücklich«, erwidert Matthias. »Lass uns bitte morgen weiterreden. Ich möchte versuchen, noch ein wenig zu schlafen. Für die Präsentation eines neuen Programms morgen früh muss ich ausgeruht sein.«
    Â»Wir schlafen doch beide seit Wochen nicht mehr«, erinnert ihn seine Frau. »Und ich glaube, das wird auch so bleiben, bis alles zwischen uns gesagt ist, was Max betrifft. Weißt du, was ich an dir vermisse? Du sagst nie, wie sehr du ihn geliebt hast und was du an ihm mochtest. Selbst jetzt nach seinem Tod geht es immer nur darum, was er hätte werden und darstellen sollen. Ich finde, es ist an der Zeit,

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