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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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ausweichen. Seinem Sohn ist er so vieles schuldig geblieben, das weiß er jetzt, und es lässt sich nicht mehr schönreden. Maximilian hat unter seinem Vater gelitten, mehr als dass er Vertrauen zu ihm gehabt hätte, sonst wäre er zu ihm gekommen und hätte ihm von seinen Zukunftsplänen erzählt, seine Träume mit ihm geteilt. Stattdessen hat er alles heimlich in die Wege geleitet, nicht weil er einen Dickkopf hatte, sondern weil er ihn, Matthias Rothe, immer so wahrgenommen hat wie auf den meisten dieser Skizzen von ihm, verhärtet, starr und unnachgiebig, bis auf wenige Ausnahmen. Matthias kann es nicht mehr ändern, sich seinem Sohn nicht mehr nähern. Er muss alles tun, um seine Tochter zu halten und ebenso seine Frau. Also atmet er tief durch und gibt sich einen Ruck. Dann hält er das Bild so, dass Corinna und Natalie die Zeichnung ebenfalls betrachten können.
    Â»Bin ich wirklich so hart?«, will er wissen.
    Corinna sieht ihn an, sie ringt mit sich. Ihr erster Impuls drängt sie, ihn zu beruhigen, alles herunterzuspielen, zu beschwichtigen, doch gleichzeitig weiß sie, dass es keinen Sinn mehr hat. Was Max gezeichnet hat ist die Wahrheit, so und nicht anders verhält sich Matthias in den allermeisten Situationen, und Max hat es nicht nur erkannt, sondern in diesem sagenhaft gelungenen Bild auch wiedergegeben. Es würde nichts nützen, jetzt wieder alles herunterzuspielen, um die Harmonie in der Familie zu erhalten. Was ist das für eine Harmonie, denkt sie, wenn einer von uns darin sein Leben lassen musste. In den Wochen seit Max’ Tod hat sie begonnen, auch andere, weichere und verletzliche Seiten an ihrem Mann kennenzulernen. Nachts in den Gesprächen hat er sich erschüttert und traurig gezeigt, und auch, wenn sie ihn im Dunkeln in der Wohnung auf und ab gehen hört, weiß sie, dass hinter seiner rigiden Fassade ein Mann steckt, der voller Selbstzweifel ist. Wenn er jetzt nicht Farbe bekennt, dann vielleicht nie mehr.
    Doch Natalie kommt ihr zuvor.
    Â»Ja«, sagt sie schlicht und blickt ihm geradewegs ins Gesicht. »Genau so ein harter Knochen bist du. Man hat das Gefühl, als renne man gegen eine Wand aus Stahl; besonders Max ging es so, wenn du in seiner Nähe warst.«
    Matthias nickt. »Deutlicher konnte er es mir kaum zeigen.«
    Jetzt ist es Corinna, die beginnt, ruhelos im Zimmer auf und ab zu gehen, viel Platz ist dafür nicht, mit dem Fuß stößt sie gegen die Kiste mit den Elektroteilen, dreht sich um und geht wieder zurück, immer nur vier Schritte hin und vier zurück.
    Â»Und warum?«, fragt sie, ihre Stimme verrät bereits, wie viel zurückgehaltene Wut auch in ihr steckt. »Was hat dich so hart gemacht? Ist es wirklich nur die Sorge um die Firma und deine Auffassung, dass nur Zahlenberufe und Wissenschaften ernst zu nehmende Tätigkeiten sind?«
    Â»Das sind sie jetzt nicht mehr«, lenkt Matthias ein. »Ich gebe zu, dass ich einen Riesenfehler gemacht habe. Max hatte Talent. Natürlich hätte er mit dieser Begabung etwas werden können.«
    Natalie lacht bitter auf.
    Â»Weil er dich so treffend hinbekommen hat«, spottet sie. »Da fällt es dir auf. Herzlichen Glückwunsch.«
    Dieses Mal weist Matthias sie nicht zurecht, sagt nicht, er verbitte sich diesen Ton.
    Â»Die Bilder sind alles andere als ein Kompliment an mich«, korrigiert er nur. »Und nein, es ist nicht nur die Firma. Ihr wisst es vielleicht nicht, ich weiß nicht, ob ich jemals davon erzählt habe, aber ich hatte früher auch ein besonderes Hobby.«
    Â»Du?« Natalie zieht die Nase kraus. »Was denn für eins? Muster in Millimeterpapier zeichnen oder was?«
    Matthias schüttelt den Kopf, fest entschlossen, sich nicht provozieren zu lassen. Ohne das Skizzenbuch loszulassen, setzt er sich auf Maximilians Bett. »Von meinem Eintritt ins Gymnasium an war ich Mitglied der Theatergruppe«, erzählt er. »Mich als Schauspieler zu versuchen, war damals meine Welt. Und ich war gut; bei jeder Aufführung durfte ich eine der größeren Rollen besetzen.«
    Â»Deshalb kannst du dich so gut verstellen«, wirft Natalie ein. »Alles klar.«
    Â»Als ich in die Oberstufe kam, wechselte ein gleichaltriger Schüler von einem Nachbargymnasium zu uns«, fährt Matthias unbeirrt fort. »Es ging dabei nicht um die Leistungskurse, sondern er tat es genau wegen dieser Theater-AG,

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