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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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sieht sich Musikvideos im Internet an, treibt sich auf Sportseiten herum, sucht die Webseite der Schule nach Neuigkeiten ab, doch außer ein paar Terminen, die sich jedes Jahr wiederholen und dem Turniersieg der Fußballmannschaft ist nichts Interessantes verzeichnet. Mit einem ungeduldigen Stöhnen schließt er alle geöffneten Fenster und fährt das System herunter, bis ihn nur noch das schwarz glänzende Display anstarrt. Paul spiegelt sich darin und stellt fest, dass seine Haare gewachsen sind, innerhalb von vier Wochen kann kaum mehr als ein Zentimeter hinzu gekommen sein, aber es verändert dennoch sein Aussehen, macht es lässiger, Mädchen fahren gern mit den Fingern durch solche Haare. Sonst hat er immer Wert darauf gelegt, regelmäßig zum Friseur zu gehen. Jetzt ist er nicht mehr sicher, ob er das will. Max hatte längere Haare als er. Soll er sie wachsen lassen, seinem Freund zu Ehren?
    Er schiebt den Tablet-PC in den Nachttisch zurück, wie dämlich ist er eigentlich, jetzt über sein Aussehen nachzudenken, seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht. Wenn die Eitelkeit allmählich wieder zum Vorschein kommt, geht es ihm vielleicht doch nicht mehr so schlecht. Er schaltet den Fernseher ein und lässt eine Quizsendung laufen, ohne sie zu verfolgen.
    Annika. Er muss Annika erreichen. Heute nicht mehr, heute muss er sie in Ruhe lassen, aber sie wird wieder mit ihm chatten, wenn auch sie sonst niemanden dafür findet.
    Den Rest des Tages verbringt Paul mit Fernsehen und Schlafen, blättert in seinen Zeitschriften, stochert ohne Appetit in den Mahlzeiten herum, die ihm im dreistündigen Rhythmus gebracht werden; nach der letzten, dem Abendbrot am späten Nachmittag, ist der Tag immer noch lang. Morgen wieder. Vielleicht hat der kurze Chat heute früh auch in ihr das Bedürfnis geweckt, sich mit ihm auszutauschen. Kein Mensch kann immer nur grübeln.
    Paul: Hi Annika, wie geht’s dir heute? Kopfschmerzen besser?
    Annika: Etwas. Und bei dir?
    Paul: Wird schon. Was hast du gestern noch gemacht?
    Annika: Viel geschlafen. Sonst nichts weiter. Schlafen könnte ich immerzu, meine Mutter macht sich schon Sorgen deswegen und redet von Psychologen und so was.
    Paul: Wär vielleicht nicht verkehrt, was meinst du?
    Annika: Wenn ich da hingehe, wird Max auch nicht wieder lebendig.
    Paul: Ich weiß, aber wenn du mehr schläfst, als es von deiner körperlichen Diagnose her normal ist, kann es ein Hinweis auf seelische Ursachen sein. Du hast einiges zu verarbeiten.
    Annika: Mit Freunden zu reden wär’ mir lieber.
    Paul: Hat sich immer noch niemand gemeldet?
    Annika: Da wird sich wohl nichts mehr ändern.
    Paul: Sie kommen bestimmt auf dich zu, wenn du erst wieder in die Schule gehst.
    Annika: Was soll ich da ohne Max?
    Paul: Das Semester an der Uni beginnt erst Anfang Oktober. Bis dahin kann ich dir gern persönlichen Geleitschutz geben, wenn du möchtest ;-).
    Annika: Mir ist nicht nach Scherzen zumute.
    Paul: Schon gut, mir doch auch nicht. Noch mal zu deinem Schlafbedürfnis: Schläfst du denn gut?
    Annika: Wenn ich tagsüber wegdöse, ja. Nachts kommen immer wieder diese Bilder hoch …
    Paul: So geht’s mir auch. Das kann ich überhaupt nicht abstellen, jede Nacht läuft derselbe Film ab und irgendwann schrecke ich schweißgebadet hoch.
    Annika: Das Krachen und Klirren beim Aufprall habe ich noch in den Ohren. Den Knall und die Stille danach … wie Max leblos in seinem Sitz hing, der Airbag …
    Paul: Und Natalie, die sich auch nicht mehr rührte.
    Annika: Ich glaube, sie hat am Kopf geblutet.
    Paul: Hast du gleich gewusst, dass Max tot ist?
    Annika: G espürt. Alles war so schrecklich. Wie wir da hinten saßen und ewig keiner kam …
    Paul: Im ersten Moment war ich vor allem froh, dass du überlebt hast.
    Annika: Froh? Ich hab gar nichts gefühlt. Das war alles so unwirklich.
    Paul: Ok, froh ist nicht der richtige Ausdruck. Bis der Krankenwagen kam, erschien mir auch endlos. Hat dir in dem Moment schon was wehgetan?
    Annika: Erst als ich auf der Liege lag, auf der Fahrt ins Krankenhaus. Durch das Geruckel hatte ich das Gefühl, dass mein Kopf gleich zerspringt und dass ich schlecht Luft bekomme.
    Paul: Im ersten Moment hab ich auch nichts gemerkt. Vielleicht bin ich ohnmächtig geworden.
    Annika: Quatsch, du hast versucht die Seitentür zu öffnen, hast es aber nicht geschafft. Der Typ, der den

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