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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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die Mutter versorgt ihn mit Romanen sowie Sport-, Auto- und Computerzeitschriften. Für die Hefte ist er dankbar, die Bücher rührt er nicht an, kann sich nicht lange auf einen Text konzentrieren, auch wenn es ausnahmslos humorige, kurzweilig zu lesende Texte junger Szeneautoren sind, die sie für ihren Sohn ausgewählt hat. Paul kann sich noch nicht ins Lachen hineindenken, kommt sofort wieder ins Grübeln, in die Fassungslosigkeit. Wie kann man Witze reißen, wenn Max umgekommen ist. Immer wieder hat Paul das Gefühl, aufspringen zu müssen und aus dem Krankenhaus zu fliehen, zurück nach Hause, zur Schule, um nachzusehen, ob das alles wirklich passiert ist, es kann nicht sein. Pauls Leben hat bis zu jenem Tag, an dem Max mit ihm, Annika und Natalie gegen einen Baum gerast ist, nur Aufwärtsbewegungen gemacht. Jetzt ist es genauso zerbrochen wie seine Hüfte.
    Immerhin hat er angefangen, ab und an wieder im Internet zu surfen und sich in seine sozialen Netzwerke einzuloggen, auch wenn er bislang noch niemanden von seinen Freunden angeschrieben hat. Er liest die Neuigkeiten seiner Freunde, hat verfolgt, wie sich die anderen aus der Schule über Max’ Tod ausgetauscht haben, alle so fassungslos wie er. Auch ihm hat noch niemand eine Nachricht geschickt, das hat er durch seine Einstellungen vermieden, hat sich für die anderen als offline dargestellt. Aber jetzt hat er das Bedürfnis, mit jemandem zu chatten. Mühsam rappelt er sich wieder in eine Art Sitzhaltung hoch und angelt in der Schublade seines Nachttisches nach dem Tablet-PC, wieder überkommt ihn der Schmerz, aber dieses Mal lässt er sich nicht dadurch lähmen, hält nicht inne, sondern schaltet das Gerät ein und wartet, bis das System hochgefahren ist. Loggt sich ins Internet ein, ruft Facebook auf. Natürlich ist jetzt am Vormittag kaum jemand online, mitten in den Sommerferien. Fast alle sind im Urlaub, schnorcheln um Trauminseln herum oder besteigen Berge, stromern durch angesagte Städte irgendwo am Mittelmeer. Aber Annika ist on. Paul Herz beginnt heftig zu schlagen, zu Annika hat er noch keinen Kontakt gehabt, seit sie getrennt voneinander in verschiedene Krankenwagen verfrachtet und mit Blaulicht und Sirene vom Unfallort weggefahren sind, beide bei vollem Bewusstsein. Mit Annika könnte er chatten. Vielleicht tut es beiden gut. Vielleicht will sie nicht. Mit kalten Fingerspitzen setzt er den Cursor in das Feld neben ihrem Namen.
    Paul: Annika?
    Annika (nach einigem Zögern): Paul … hallo! Wie geht’s dir, bist du noch im Krankenhaus?
    Paul: Ja, und muss wohl auch noch lange drin bleiben. Und du?
    Annika: Bin seit knapp zwei Wochen draußen. Bist du operiert worden?
    Paul: Sie haben mein Becken wieder zusammengeschraubt wie ein Puzzle. Ziemlich komplizierte Brüche. Und du?
    Annika: Oh, klingt nicht gut. Da war ich wohl besser dran: Rippenserienbruch und Schädelbasisbruch. Heilt alles von allein, muss mich nur schonen.
    Paul: So wirklich lustig liest sich das aber auch nicht. Hast du noch Schmerzen?
    Annika: Vor allem beim Einatmen. Ist aber schon besser geworden. Am Anfang war’s ganz schlimm. Der Kopf tut vor allem weh, wenn ich mich zu sehr anstrenge. Eigentlich kann ich nichts lange machen, weder lesen noch fernsehen oder am Laptop sein.
    Paul: Wenigstens musst du nicht mehr liegen.
    Annika: Ich leg mich noch oft hin. Bin immer schnell erschöpft und schlafe auch viel, auch tagsüber.
    Paul: Beneide dich fast drum. Ich fühl mich so eingesperrt hier.
    Annika: Glaub mir, draußen ist es nicht besser.
    Paul: Nicht? Immerhin kannst du dich mit deinen Sachen beschäftigen und bist in der vertrauten Umgebung. Deine Eltern sind da und du musst keine Krankenhauskost futtern.
    Annika: Ach komm, du hast doch bestimmt auch den Gourmet-Plan unter den drei Auswahlmöglichkeiten, genau wie ich ihn hatte.
    Paul: Schmeckt trotzdem nicht. Wie geht’s den anderen?
    Annika: Welchen anderen?
    Paul: Johanna, Charlotte, Justus, Simon und so. Du hast doch bestimmt oft Besuch.
    Annika: Träum weiter.
    Paul: Nicht?
    Annika: Genauso Fehlanzeige wie im Krankenhaus. Die einzigen menschlichen Gesichter, die ich sehe, sind die meiner Eltern und die in der Glotze.
    Paul: Du meinst, nicht mal Johanna war bei dir?
    Annika: Genau.
    Paul: Sie ist doch deine beste Freundin und du bist ihre, oder?
    Annika: Dachte ich bisher auch. Aber das zeigt sich ja jetzt.
    Paul: Wie enttäuschend.

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