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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Das hätte ich nicht von ihr gedacht.
    Annika: Meine Mutter sagt, ich soll ihr Zeit lassen. Sie weiß vielleicht einfach nicht, was sie sagen soll. Wie ist das mit deinen Freunden?
    Paul: An dem Tag, wo die mündlichen Prüfungen stattgefunden haben müssen, kam ’ne Genesungskarte, auf der fast alle aus dem Jahrgang unterschrieben haben. Das ist alles. Aber ich bin selber noch nicht so weit.
    Annika: Hast du in deinem Jahrgang keinen besten Freund?
    Paul: Anni … mein bester Kumpel war Max.
    Annika: Ich weiß. Ich dachte nur …
    Paul: Hattest du es wirklich vergessen? Hast du nicht an Max gedacht?
    Annika: Ich denke jeden Tag an ihn.
    Paul: Jedenfalls tat die Karte mehr weh als dass sie mich freute, weil seine Unterschrift fehlte.
    Annika: Das muss wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Aber anscheinend weiß dann die ganze Oberstufe nicht, was sie zu uns sagen soll. Irgendjemand würde sich doch sonst melden. Ich glaube nicht, dass ich Johanna in so einer Situation im Stich lassen würde.
    Paul: Da kann man nur spekulieren. Nach allem, was passiert ist …
    Annika: Glaubst du, die wissen was über die Details?
    Paul: Du meinst, von uns?
    Annika: Viel war doch da gar nicht.
    Paul: Für mich schon. Und wenn es sich ‘rumgesprochen hat, über Natalie …
    Annika: Weißt du was von ihr, wie schwer sie verletzt ist? Die Krankenschwester hat mir nur erzählt, dass sie lebt.
    Paul: Mein Vater hat sie in der Stadt gesehen, mit einem Typen.
    Annika: Bist du sicher, dass er sich nicht verguckt hat? Eigentlich muss es sie viel schlimmer erwischt haben als uns. Sie saß ja vorn.
    Paul: Sie hätte genauso draufgehen können wie Max, am Unfallort war sie ja bewusstlos. Dass sie jetzt wieder rumläuft, scheint eine Art Wunder zu sein. Zum Glück für die Eltern.
    Annika: An die darf ich gar nicht denken.
    Paul: Glaubst du, sie hat den anderen in der Schule von uns erzählt?
    Annika: Sie hat doch gar nichts gesehen. Natalie ist erst nach Max aus dem Club gekommen und eingestiegen.
    Paul: Hattest du nicht das Gefühl, sie wusste genau, was gelaufen ist?
    Annika: Weiß ich nicht mehr. Paul, ich kann nicht ständig darüber nachdenken, eher versuche ich mich abzulenken und auf andere Gedanken zu kommen. Ich muss jetzt off, die Kopfschmerzen werden wieder schlimmer. Bis demnächst also.
    Paul: Gute Besserung. Bis bald!
    Paul starrt auf den grünen Punkt neben Annikas Namen, bis er verschwunden ist, dann scrollt er auf der Seite weiter nach unten, liest die Neuigkeiten seiner virtuellen Freunde, von denen weniger als die Hälfte auch echte Bekanntschaften sind, kann kaum aufnehmen, was sie berichten, kurze, belanglose Sätze über ihre Freizeitaktivitäten, Fotos aus dem Urlaub. Es war seltsam mit Annika eben, denkt er. Ob das an ihrer Kopfverletzung liegt? Steht auch sie noch unter Schock? Bevor geschehen ist, was geschah, hat sie Paul geradezu angehimmelt, nicht selten sogar in Anwesenheit von Max, mit dem sie zusammen war. Paul selbst hatte dann den inneren Drang verspürt, sie ein wenig zu bremsen, um seinen Freund nicht zu verletzen, doch Annikas unverhohlene Bewunderung hatte ihm auch geschmeichelt. In den letzten Wochen vor Max’ Tod waren sie sich nähergekommen, zu nah, aber war es verwunderlich, wo Max so seltsam geworden war, manchmal fast unwirsch und ablehnend und sich immer mehr aus gemeinsamen Aktivitäten herauszog?
    Paul schüttelt den Kopf, als könne er damit seine Gedanken fortjagen, aber es gelingt ihm nicht. Als Max sich so verändert hat, war das etwa schon … Er will die Vermutung nicht zulassen, sie schmerzt zu sehr, natürlich ist das möglich, man hört doch immer wieder, dass es vor einem Suizid Anzeichen im Verhalten gibt. Weder Annika noch er haben etwas bemerkt und richtig gedeutet, und jetzt weicht sie ihm aus. Aber sie haben doch nur einander, sie hat es selbst geschrieben. Er muss unbedingt wieder zu ihr Kontakt aufnehmen, sonst wird er noch verrückt. Was sie und er erlebt haben, versteht nur, wer Ähnliches durchgemacht hat, und das dürfte in ihren beiden Jahrgängen am Gymnasium kaum jemand sein.
    Aber jetzt will sie nicht länger mit ihm chatten, und er kann nichts aufnehmen von all den Webseiten, mit denen er sich die Zeit vertreiben wollte, alles rauscht an ihm vorbei, bestimmt zum zehnten Mal googelt er seine Verletzungen und liest Fachartikel über Heilung und Prognosen,

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