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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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in mir, Max, für den Rest meiner Zeit. Das verspreche ich dir.
    Bitte verzeih mir. Natürlich bist du der Größte und wirst es für mich immer bleiben. So, wie du bist.
    Matthias schreckt auf, als er Schritte hört, die rasch näher kommen, ein Mann im schwarzen Rollkragenpullover eilt die Treppe hinunter und stutzt, als er den schulfremden Mann wahrnimmt. Ein richtiger Künstlertyp, denkt Matthias. Zu denen hat sich Max also hingezogen gefühlt, mehr als zu mir. So einer und Brückner. Und ich habe nicht gemerkt, wie er sich mir entfremdet hat.
    Â»Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigt sich der Lehrer.
    Matthias zögert. Blickt auf Max’ Zeichnung, fühlt einen Schmerz durch seine Brust jagen. Schließlich nickt er.
    Â»Die Aufnahmeprüfungen neulich«, antwortet er. »Mein Sohn war dabei. Können Sie sich an ihn erinnern? Ich würde gern seine Arbeiten sehen. Maximilian Rothe war sein Name.«
    Der Kunstlehrer hebt die Augenbrauen.
    Â» War ?«, wiederholt er.
    Matthias räuspert sich. »Wenn Sie vielleicht einen Augenblick Zeit hätten«, meint er. Beinahe schüchtern, ganz anders als es sonst seine Art ist. Er zeigt dem Lehrer seine Zeichnung und merkt, dass der Mann sofort begreift.
    Â»Ich glaube, ich erinnere mich an Ihren Sohn«, bestätigt dieser. »Ich habe gerade eine Freistunde, mein Kurs ist heute zu einer Ausstellung unterwegs. Wir können in mein Büro gehen.«
    Matthias atmet tief durch, als der Mann vor einer Tür stehen bleibt und sein Schlüsselbund aus der Hosentasche fischt.
    Ich bin zu Hause, denkt er. Hier und jetzt bin ich ganz nah bei dir, Max. Endlich habe ich den Weg zu dir gefunden.
    Der Mann dreht seinen Schlüssel im Schloss und drückt die Tür auf; Matthias blickt in einen hellen, weiten Raum voller Bilder und Kunstgegenstände.
    Â»Kommen Sie«, sagt der, der Max’ Tutor hätte werden sollen. »Nehmen Sie auf dem Sessel Platz. Unsere Sekretärin wird Ihnen gleich einen Kaffee bringen, und dann erzählen Sie.«
    Zu Hause bei dir, denkt Matthias noch einmal. Hallo, Max, mein Sohn.

Annika Pietz, 17 Jahre, und Paul Fischer, 18 Jahre: Maximilians Freundin und bester Freund
    Die Arztvisite ist weg, Paul lässt sich zurück in seine Kissen fallen. Durch die ruckartige Bewegung spürt er einen stechenden Schmerz in seiner Hüfte, er schließt die Augen und wartet ab, bis er vorübergeht. Noch immer haben sie ihm keine Hoffnung auf eine baldige Entlassung aus dem Krankenhaus gemacht, zu kompliziert waren die Brüche an Becken und Hüftgelenk, er spürt selbst, dass die Schrauben seine Knochen noch halten müssen. Aber hier in diesem Krankenzimmer, das er noch dazu für sich allein hat, überkommt ihn immer wieder das Gefühl, wahnsinnig zu werden.
    Seit seiner Notoperation nach dem Unfall liegt er hier, sein Vater hat sofort alles in die Wege geleitet, wovon er meint, dass es seinem Sohn zustehe, vom Einzelzimmer über Gourmetkost aus der Küche bis hin zur Chefarztbehandlung. Paul steht noch zu sehr unter Schock, um zu protestieren. Viel lieber hätte er das Zimmer mit einem anderen Patienten geteilt, einem Jungen in seinem Alter vielleicht, der eine Sportverletzung erlitten hat, das hätte ihm zumindest hin und wieder das Gefühl vermitteln können, in einer ähnlichen Lage zu sein. Auch hätte er Ablenkung gehabt, jemanden zum Reden, einen, der einfach im selben Zimmer atmet. So jedoch ist für Paul seit einem Monat die Zeit stehen geblieben. An der gegenüberliegenden Wand hängt ein Fernseher, der ihm in der ersten Zeit die einzige Abwechslung bot, anfangs hat er ihn fast ununterbrochen laufen lassen, egal was gesendet wurde, er konnte nicht allein sein, keine Stille ertragen, erst recht nicht, wenn er schlief, weil ihn dann die Albträume heimsuchten, ständig wiederkehrende Filme und Bilder, Fetzen von dem, was geschehen ist. Die Welt steht still, die Zeit steht still, seit er hier liegt. Seine Eltern kommen fast täglich zu Besuch, aber sie haben ihre Schonhaltung ihm gegenüber noch nicht aufgegeben, beantworten seine Fragen nicht, wollen nicht, dass er sich aufregt. Dafür verwöhnen sie ihn, erfüllen jeden seiner Wünsche, am eifrigsten das Bedürfnis nach Unterhaltung und Beschäftigung. Der Vater hat ihm jetzt, da Paul regelmäßig wach ist und keine ständigen Schmerzen mehr hat, seinen Tablet-PC gebracht,

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