Dann mach ich eben Schluss
ein paar Bissen Toast und eine Tasse schwarzen Tee hinunter. Jetzt nur keine Migräne, flehe ich stumm, nur das nicht. Dann kann ich die Arbeit gleich vergessen.
»Denke schon«, sage ich trotzdem, ohne ihn anzusehen. Er soll losgehen, mit Mama und Natalie allein ist es entspannter, soll er doch seine Angestellten im Büro umherscheuchen, nicht mich oder uns. Aber er bleibt stehen.
»Ich habe dich in den letzten Tagen kaum lernen sehen«, beharrt er.
»Matthias, der Junge hat gelernt«, mischt sich Mama ein. »Wenn du nicht jeden Tag so lange arbeiten würdest, hättest du es mitbekommen, aber da du erst weit nach neunzehn Uhr nach Hause kommst, ist er zum Glück meist fertig damit. Es wäre ja auch schlimm, wenn nicht. SchlieÃlich ist auch er selten vor vier Uhr nachmittags aus der Schule zurück, dann muss er doch erst mal warm essen und wenigstens eine kleine Pause haben. Meistens lernt er dann noch bis kurz vor dem Abendbrot. Irgendwann reicht es dann aber auch.«
»Ich dachte, ihr esst in der Schulkantine.« Auf Mamas Argumente geht er gar nicht erst ein. Natalie nimmt mir die Antwort ab.
»Da sind die Schlangen so lang, dass man oft erst fünf Minuten vor dem Ende der Mittagspause drankommt«, erklärt sie. »Wenn man bis dahin noch nicht aufgegeben hat, schlingt man sein Essen runter, mit dem Ergebnis, dass man mit Bauchschmerzen im Nachmittagsunterricht sitzt und gar nichts mehr rafft. Oder man ist zu müde. Du legst dich am Wochenende nach dem Mittagessen auch gerne hin. AuÃerdem schmeckt der Fraà da meistens zum Kotzen.«
»Natalie.« Mamas sanfte Stimme.
»Stimmt das, Maximilian?«, fragt Papa, an mich gerichtet. Wenn Nati ihre Kraftausdrücke benutzt, antwortet er ihr aus Prinzip nicht.
»Es ist genau so, wie sie sagt. Und wenn es doch mal was Leckeres gibt oder die Schlange ausnahmsweise nicht ganz so lang ist, weil eine Stunde ausgefallen ist und man nicht in der Pause gehen muss, fehlt einem die Zeit, um sich auf die nächsten Stunden vorzubereiten.«
»Zum Glück könnt ihr beide zu Hause frisch Gekochtes aus Bio-Zutaten essen«, fügt Mama hinzu. Papa zückt sein Smartphone und macht sich eine Notiz in den Kalender.
»Noch ein Punkt, den ich mit Herrn Brückner besprechen muss. Hast du einen Termin für mich vereinbart?«
»In den letzten Tagen war wenig Zeit. Wir hetzen ja immer von einem Raum zum anderen. Ich hole es heute nach.«
»Davon gehe ich aus«, sagt er und wendet sich schon halb der Tür zu. »Dann bis heute Abend. Streng dich an, Junge, dann klappt das auch. Du bist ja nicht dumm.«
Es läuft trotzdem nicht. Ich sitze vor der Matheklausur, als hätte ich die ganzen letzten Wochen und Monate lang nichts von dem Stoff mitbekommen. So schlecht ist es für mich lange nicht mehr gelaufen. Verdammt, ich hätte am Samstag nicht zeichnen sollen, sondern lieber lernen, wie dämlich kann man eigentlich sein, einen ganzen ungestörten Abend lang so zu vergeuden, natürlich war es Vergeudung, Zeitverschwendung, ich hätte alles noch mal durchrechnen können, die letzte Stunde vor der Klausur hat Herr Brückner alles so gut erklärt, dass sogar ich den Stoff einigermaÃen kapiert habe. Wenn ich alles in Ruhe noch einmal wiederholt hätte, wäre mir bestimmt nicht so ein Blackout passiert wie jetzt. Paul am Nachbartisch macht mich wahnsinnig, er schreibt und schreibt, sein Stift rast übers Papier, für die unentwegten Kratzgeräusche dabei könnte ich ihn zusammenschlagen, er legt sein Lineal an, fällt Lote und zieht Tangenten, überlegt nicht mal, scheint gleichzeitig zu denken und zu schreiben, bei den anderen um mich herum sieht es mit Einschränkungen ähnlich aus. Ich bin so ein Vollpfosten, zeichnen hätte ich auch nach den ersten beiden Klausuren noch können, dieses Bild von meinem Vater will sowieso niemand sehen, am allerwenigsten er selbst. Ich hätte es mir sparen können, der Abend hat nur den Druck verstärkt, unter dem ich sowieso schon stehe, und mein Vater wird nur wieder bestätigt sehen, was er mir immer schon predigt. Da brauche ich ihm das Bild gar nicht erst zu zeigen, er wird es nicht einmal richtig ansehen oder mir Vorwürfe machen, die ganze Palette, und ich könnte es ihm nicht einmal verübeln, vielleicht sollte ich mein Hobby ganz aufgeben, er hat recht, es bringt nichts, was bedeutet es
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