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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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gerichtet.«
    Â»Wer redet von Partys? Ist es zu viel verlangt, am Wochenende einmal mit deiner Freundin ins Kino zu gehen? Du bist so ein Langweiler, ehrlich.«
    Natalie verschwindet wieder im Bad, ich trotte in mein Zimmer zurück und setze mich aufs Bett. »Natürlich ist es nicht zu viel verlangt«, versuche ich sie zu beschwichtigen. »Aber versuch doch, mich auch zu verstehen – wenn ich gerade einen kreativen Schub habe, muss ich dem auch nachgehen können.
    Es juckt mich in den Fingern, dieses Bild zu malen, ganz genau jetzt, und ich habe Angst, dass es morgen schon wieder verpufft sein könnte, wenn ich heute Abend was anderes mache. Wenn das Bild so wird, wie ich es haben will, gehen wir nächsten Samstag oder morgen Nachmittag. Dann lade ich dich auch ein.«
    Â»Und heute soll ich alleine neben einem anderen Pärchen herumsitzen, oder wie?«
    Wir schaffen es nicht, uns versöhnt voneinander zu verabschieden. In meinem Magen macht sich ein beklemmendes Gefühl breit, nachdem wir aufgelegt haben, rastlos strolche ich durch mein Zimmer. Jetzt ist Annika sauer auf mich, das habe ich nicht gewollt, für einen Augenblick bin ich versucht, sie noch einmal anzurufen und zu sagen, dass ich doch mit ins Kino komme. Im Moment ist die Stimmung zu zeichnen verflogen.
    Doch wenig später steckt Natalie ihren Kopf durch meine Tür, um sich zu verabschieden.
    Â»Zeig mir dein Bild, wenn es fertig ist«, sagt sie und zwinkert mir zu. »Ich bin schon gespannt.« Dann geht sie.
    Nachdem ich die Tür hinter ihr zufallen höre, stehe ich doch auf, spitze in Ruhe meine Bleistifte und lege verschiedene Radiergummis zurecht, wähle unter meinen Zeichenblöcken das richtige Papier aus, stelle auf meinem MP3-Player eine Songliste zusammen, die mich wieder in die richtige Stimmung zum Zeichnen versetzen wird. Brückners Vorschlag war so genial. Noch weiß ich nicht, was am Ende bei diesem Bild herauskommen wird, aber viele Ideenfetzen jagen durch meinen Kopf. Ich schlage das Deckblatt meines Zeichenblocks zurück und setze mich auf mein Bett, nehme einen mittelharten Bleistift in die Hand und lehne mich zurück.
    Mein Vater. An der Korkpinnwand über meinem Schreibtisch hängt ein altes Foto von ihm und mir aus der Zeit, als ich noch Fußball gespielt habe und er mich am Wochenende regelmäßig zu den Spielen und Turnieren gefahren hat. Schon damals habe ich oft gespürt, dass er mehr von mir erwartet hat, als ich leisten konnte, höher als bis in die zweite Mannschaft habe ich es nie geschafft. Ich betrachte sein Gesicht auf diesem Bild, jünger als heute, aber der Ausdruck darin ist der gleiche geblieben, angespannt, ungeduldig, leicht unzufrieden und doch versucht, dies durch ein Lächeln zu verbergen. Ich blieb nicht lange im Fußballverein.
    Mein Vater beim Abendessen gestern. Ich beginne mit ein paar Strichen, zeichne die Konturen seines Gesichts, versuche den angespannten Gesichtsausdruck einzufangen, es gelingt auf Anhieb. Ich mache weiter und zeichne ihn so, wie ich ihn sehe, seine akkurat geschnittenen Haare, immer frisch gewaschen, immer glänzend; seine schmalen Augen, lauernd, kontrollierend, die von mir so gefürchtete Mischung aus mühsamer Beherrschung, nicht die Geduld zu verlieren und Enttäuschung um seine Lippen. Auf dem Bild ist er so gut geworden, dieser Gesichtsausdruck. teuflisch gut.
    Danach zeichne ich ihn im Profil, beim Autofahren, konzentriert nach vorn schauend, aber wieder ernst, die Nase ist vielleicht ein bisschen spitz geworden, aber es wirkt nicht unpassend, höchstens vielleicht ein wenig karikiert. Danach kommt eine Ansicht von vorn, sein Kopf über den Tisch gebeugt, irgendetwas notierend, auf seiner Nase die Lesebrille, die Stirn in Falten gelegt. Eine weitere Skizze im Profil, der Mund leicht verkniffen. Ich zeichne wie im Rausch, bald merke ich nicht einmal mehr, dass ich überhaupt zeichne, der Bleistift scheint von allein übers Papier zu fliegen und meine Hände sind seine Instrumente, nicht umgekehrt. Ich versinke in dem Bild, das nach und nach nicht mehr nur aus einem Porträt meines Vaters besteht, sondern aus vielen kleinen Impressionen von ihm, die ihn in verschiedenen Situationen darstellen, ich schaffe es auch, ihn lächelnd darzustellen, mit weit geöffnetem Hemdkragen, wie er es im Urlaub gerne trägt, betont lässig, gewollt locker, aber auf jeden Fall sympathischer,

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