Dann muss es Liebe sein
lehne mich gegen den Tisch und beobachte ihn, während ich Alex anrufe.
»Hallo, Schatz«, sagt er. »Wie geht’s dir?«
»Geht so. Ich hatte einen schlimmen Tag. Und was ist mit dir?«
»Heute Morgen um sieben stand Astra vor der Tür und hat Lucie und Seb bei mir abgeladen.«
»Ja, die arme Lucie.«
»Du weißt es schon?«
»Ich habe Lucie und deine Mutter heute Morgen in der Stadt getroffen. Wie lange bleiben die Kinder denn hier?«
Alex seufzt. »Bis Lucie wieder in die Schule gehen kann, was bedeutet, dass sich Seb bis dahin auch angesteckt haben wird …«
Ich verstehe nicht, warum Astra die Kinder nicht bei sich behält, wo sie doch so eine tolle Mutter ist.
»Es ist natürlich angenehmer für sie hier bei meiner Mutter«, fährt Alex fort. »Aber das bedeutet, dass sie am Wochenende auch noch hier sein werden. Tut mir leid. Ich weiß, sie können manchmal ziemlich nervig sein.«
»Das macht doch nichts«, sage ich und bin von mir selbst überrascht. »Du hättest Lucies Lächeln sehen sollen, nachdem ich sie davon überzeugt hatte, dass ich ein ganzes Baby bekomme und nicht bloß ein halbes.«
»Ich habe mich schon gefragt, warum sie so still war – ich dachte, sie wäre eifersüchtig«, entgegnet Alex. »Ich hoffe, meine Mutter war diesmal wenigstens höflich zu dir.«
»Sie war die Liebenswürdigkeit in Person. Sie hat ihre Meinung geändert. Ich war heute Nachmittag zu Tee und Kuchen im Herrenhaus eingeladen. Sie möchte Kontakt zu dem Baby haben.«
»Und was hast du gesagt?«
»Ich war einverstanden. Sie sah so traurig aus.«
»Danke, Maz.«
»Aber ich werde nicht zulassen, dass sie im Herrenhaus auf das Baby aufpasst.« Vor meinem geistigen Auge sehe ich den alten Fox-Gifford mit seiner rauchenden Flinte und den auf einem Strohballen aufgereihten Ratten. »Dein Vater könnte es erschießen.«
Alex lacht.
»Sehen wir uns nachher?«, fragt er.
»Ich will heute früh ins Bett, wenn es dir nichts ausmacht. Ich habe vor, mich mit Clives Pralinen und einem guten Buch unter die Decke zu verziehen.«
»Nichts allzu Aufregendes, hoffe ich.«
»Schwangerschaft für Dummies. Emma hat es mir geschenkt, und ich sollte es lieber lesen – wahrscheinlich wird sie mich morgen abfragen.« Schon komisch, wie plötzlich alle Besitzansprüche an das Baby stellen. Sophia, Emma und natürlich Alex. Aber was ist mit mir? Wird es mir irgendwann auch so gehen?
Es ist Ende April, zwei Wochen nach Sabas Operation, und ich erwarte sie zur letzten Nachuntersuchung. Über Frances’ Schulter hinweg spähe ich auf die Warteliste.
»Ich dachte, Aurora hätte einen Termin bei mir vereinbart«, sage ich, während ich Drews Terminliste überfliege.
»Aurora? Nein, sie wollte ausdrücklich zu Drew«, antwortet Frances. »Sie ist gerade bei ihm.«
»Hat sie gesagt, warum?«
»Sie sagte etwas davon, dass Saba einen männlichen Tierarzt vorzöge.«
»Ach?« Es versetzt mir einen Stich, dass ich nicht erwünscht bin. Der Anteil frauenfeindlicher Tiere in Talyton scheint in letzter Zeit enorm gestiegen zu sein. Ich gehe in den Flur, um ein paar Stifte aus dem Schrank mit dem Büromaterial zu holen – seit Drew hier arbeitet, sind Stifte so selten geworden wie Wasser in der Sahara. Ich zögere, als ich ein Kichern höre, und bemerke, dass die Tür zum Sprechzimmer nur angelehnt ist. Ich ignoriere alles, was ich Frances über das Belauschen von Privatgesprächen gesagt habe, beruhige mein schlechtes Gewissen mit dem Gedanken, dass ich schließlich die Chefin bin und wissen sollte, wenn sich meine Angestellten danebenbenehmen, und nähere mich auf Zehenspitzen der Tür.
»Kommen Sie doch her – von da drüben können Sie ja gar nichts sehen.« Aurora knöpft ihre Bluse auf und winkt Drew zu sich heran. Geschmeidig umkurvt er den Behandlungstisch und nimmt Auroras Dekolleté in Augenschein, während Saba gelangweilt zusieht.
»Das sieht mir nicht nach einem Ausschlag aus.« Drew hält kurz inne. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich die Stelle einmal anfasse?«
»Wenn es Ihnen bei der Diagnose hilft.« Aurora kichert erneut, und zu meinem Entsetzen beginnt Drew, ihre Brüste abzutasten.
»Kein Mensch würde glauben, dass die nicht echt sind«, sagt Drew. Ich höre Auroras scharfes Einatmen und sehe, wie ihre Hand zuckt, als wollte sie ihm eine Ohrfeige verpassen. Doch da hat er sich schon ihrem Ohr zugewandt und untersucht es mit den Lippen, während sie sich an seinem Gürtel zu schaffen macht.
»Ist das eine
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